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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0074]
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Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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Broschüre: "Recht des deutschen Volkes"; 1832

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Beschreibung

Broschüre: "Recht des deutschen Volkes und die Beschlüsse des Frankfurter Bundestages vom 28. Juni 1832"; 16 Seiten; 1832

Es handelt sich hier um eine in äußerst ironischem Tonfall gehaltene Streischrift gegen die Beschlüsse vom "Frankfurter Bundestag", dem "Zentralorgan" des "Deutschen Bundes". Dieser hatte als Reaktion auf das Hambacher Fest vom 27. Mai 1832 eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die u.a. die Befugnisse der "Landstände" (Länderparlamente), bspw. in Steuerangelegenheiten, beschnitten und die Pressefreiheit erheblich einschränkten.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * beschriftet

Maße

Breite/Länge: 14,5 cm; Höhe: 22,5 cm; Tiefe: 0,2 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Das Recht des deutschen Volkes und die Beschlüsse des Frankfurter Bundestages vom 28. Juni 1832. ______________________ Es war schlimm in unserm deutschen Vaterlande, als noch Napoleon uns beherrschte, und als auf sein Gebot die Bürger und Bauern aus der Werkstätte und vom Pfluge weggerissen wurden, um unter die Soldaten gesteckt zu werden, als viele Tausende unsrer Mitbrüder in dem heißen Spanien, oder in dem kalten Rußland elend umkamen; als erst die Franzosen unser Land nach allen Richtungen durchzogen, und als uns sodann die noch schlimmern Gäste, Russen und Kosacken in die Häuser gelegt wurden und mit schweren Kosten gefüttert werden mußten; als man da und dort brandschazte und plünderte, als schwere Kriegssteuern bezahlt werden mußten u. s. w. Aber ist es jezt besser geworden, nachdem wir siebenzehn Jahre lang Frieden gehabt haben? Die Steuern und Abgaben sind so drückend, als vorher- Wenn auch Heuer der Bauer eine gute Erndte macht, und seine Früchte um leidlichen Preis verkaufen kann, was Hilft ihm das? Was er sich mit saurem Schweiße erworben hat, das kann ihm morgen wieder abgenommen werden, so lange sein gutes Recht nicht gesichert ist, so lange man willkührlich über sein Vermögen schalten und walten kann. Hat doch von Jahr zu Jahr das Elend bei dem größten Theile unserer Landleute immer mehr zugenommen. Und wie auf den Dörfern, so ist es in den Städten. Auch dem Gewerbsmann wird es immer sauerer, so viel zu verdienen, als er für sich und sein Weib und seine Kinder braucht. Kommt Einer in die 2 Höhe, so gehen dafür hundert Andere zurück. So ist es gekommen, daß viele Tausende von unsern Mitbürgern ihrem lieben Vaterlande ein trauriges Lebewohl sagen; daß sie mit Weib und Kind, mit Hab und Gut auswandern, um über dem weiten Meere eine Zuflucht zu suchen, in Amerika, wo die Leute glücklich und wohlhabend sind, weil sie frei sind. Und Alle, welche auswandern, sind solche, die noch etwas zu verlieren haben, zum wenigsten noch so viel Geld in Händen haben, um die Kosten für die weite Reise bezahlen zu können. Sie ziehen fort, um nicht Alles einzubüßen. Die ganz Armen aber, die gern mit ihnen zögen, wenn sich's nur thun ließe, bleiben im Lande zurück. So wird die Zahl der Bettler immer größer und Manche werden endlich durch die Noth zum Stehlen gezwungen. Da müssen die reichern Bürger und Bauern immer mehr hergeben, um die vielen Armen zu unterhalten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, daß endlich die Armen über die Reichen herfallen, und daß es Mord, Raub und Plünderung in unserm deutschen Lande giebt. Und so leidet dann Einer mit dem Andern, und endlich geht Einer mit dem Andern zu Grunde. Und doch könnten in unserm großen und fruchtbaren deutschen Lande noch Tausende und Millionen frei und glücklich neben einander wohnen, wenn nur endlich geschähe, was schon lange hätte geschehen sollen. Also es ist bis jezt nicht besser geworden; und es sieht so aus, als sollte jetzt noch viel schlimmer werden, als es jemals gewesen ist. Und warum ist es so? Weil die Fürsten uns nicht gehalten, was sie uns versprochen haben. Im Jahr 1813 als man uns Deutsche gegen die Franzosen in den Krieg führen wollte, da haben sie uns gute Worte gegeben; da wurde uns deutschen Bären viel süßer Honig um den Bart gestrichen, auf daß wir desto gewisser in die Falle gingen. Sobald aber die Franzosen aus Deutschland vertrieben waren, wußten sich die sogenannten großen Herrn auf nichts 3 mehr zu erinnern. Sie versammelten sich damals zu Wien und fingen damit an, das deutsche Volk dahin und dorthin zu vertheilen, wie man eine Heerde Schaafe und Hämmel vertheilt. Da wurde das Sachsenland in zwei Stücke getheilt und das eine Stück dem Preußen hingeworfen; das linke Rheinufer wurde in sechs Brocken und Bröcklein zerschnitten, wovon abermals der Preuß, weil er das größte Maul hatte, den größten Brocken bekam. Während man noch mit dieser Theilung beschäftigt war und herüber und hinüber zankte, kam plözlich Napoleon nach Frankreich zurück, und stellte sich an die Spize eines gewaltigen Kriegs-Heeres. Jetzt fuhr der Schrecken in die Glieder der Herrn Minister und Gesandten, welche zu Wien beisammen saßen und sich's Wohlseyn ließen. Jezt erinnerten sie sich wieder, was sie dem Volke versprochen hatten, weil ihnen jezt wieder das Wasser an den Hals gieng. Und so kam endlich, am 8. Juni 1815 , die deutsche Bundesacte zu Stande. In dieser deutschen Bundesacte heißt nun der Artikel 13: »In allen Bundesstaaten soll eine landständische »Verfassung statt finden.« Sodann der Artikel 18: » Die verbündeten Fürsten »und freien Städte kommen überein, den Unterthanen der »deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern» : und unter diesen zugesicherten Rechten wird die Preßfreiheit mit folgenden Worten genannt: »Die Bundesversammlung «wird sich, bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung »gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und «Sicherheit der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.» Und der Artikel 19: »Die Bundesglieder behalten sich »vor, bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversamm- »lung in Frankfurt, wegen des Handels und Verkehrs »zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, so wie wegen »der Schifffahrt, nach Anleitung der auf dem Congreß zu 4 »Wien angenommenen Grundsäze, in Berathung zu treten.« Also es soll: 1) In allen Bundesstaaten eine landständige Verfassung stattfinden. Nach uraltem deutschem Rechte durfte nichts als Gesez im Lande verkündigt werden, wozu nicht die Landstände, das heißt die vom Volke gewählten Vertreter, ihre Einwilligung gegeben hatten. Nach uraltem deutschen Rechte durften auch keine Steuern und Abgaben in dem Lande erhoben werden, welche nicht von den Landständen bewilligt worden waren. Dieses Recht wurde nun den Landständen zuerkannt in einer Menge von Erklärungen, welche die Gesandten in Wien abgaben. Und in der Folge wurden wirklich in mehreren deutschen Bundesstaaten solche landständische Verfassungen eingeführt und von den Fürsten feierlich beschworen, worin den Landständen das Recht eingeräumt ist, Theil zu nehmen an der Gesezgebung ; und vor Allem das Recht: die Steuern und die Abgaben zu verwilligen oder zu verweigern. Solche Verfassungen sind in Baiern, Würtemberg, Baden, Hessen, Nassau u. s. w. Aber in andern deutschen Ländern, wie z. B. in Oestreich und in Preußen bekümmerten sie sich wenig um diesen Artikel 13 der deutschen Bundesacte. Landstände giebt es freilich auch in Östreich und Preußen, aber sie sind darnach ! Sie sind nichts weiter, als die Diener der Minister, die zu allem unterthänigst »Ja» sagen müssen, was ihnen von oben her vorgeschrieben wird. Solche Landstände sind freilich die allerbequemsten. Man braucht sich nicht lang zu besinnen, dem Volke, wie man eben Lust und Neigung hat, immer neue Lasten und Abgaben aufzubürden, und wenn das Volk sich beschweren will, so sagt man: »Ei nun, Eure Landstände haben ja eingewilligt.« Und so müssen diese Landstände die Packesel abgeben, auf welche die Minister und die Höflinge ihre tausend Sünden abladen. Solche bequeme Landstände, wie in Oestreich und in Preußen, welche 5 die Steuern nur bewilligen, aber nicht verweigern, welche nur »Ja«, aber nicht »Nein« sagen dürfen, hätte man nun gern in Baiern und Wurtemberg, in Baden, in Hessen, in Nassau u. s. w. gehabt, und es that den großen Herren leid, daß sie dem Volke nur ein weniges von dem zugestanden hatten, was ihm doch von Gott und Rechtswegen gebührte. Wie fingen sie es nun an, um ihm das Wenige, was sie ihm gegeben hatten, wieder zu nehmen, und um dem Volke doch nicht so gerade vor den Kopf zu stoßen? Sie fingen es schlau an, indem sie 2) Anstatt dem Volke die Preßfreiheit zu geben, wie sie in dem Art. 18 der Bundesacte versprochen hatten, ihm die Preßfreiheit nicht gaben. Die Preßfreiheit ist aber das Recht, in Druckschriften, in Zeitungen u. s. w. die Wahrheit frei heraussagen zu dürfen. Das ist ein sehr natürliches Recht. Denn wie sollte es auch besser werden können, wenn man den Leuten nicht einmal zu sagen erlaubt, wo sie der Schuh drückt? Aber diese Erlaubniß wurde dem deutschen Volke nicht gegeben, sondern es wurden Censoren angestellt, die jedes freimüthige Wort, das den Machthabern und Volksfeinden mißfällig war, unterdrücken mußten. Wir Deutsche ließen uns das gefallen, und nun hatte man auch mit unsern Landständen leichtes Spiel. Denn nachdem dem Volke der Maulkorb angethan war, konnten auch die Landstände nicht mehr beißen. Die Landstände konnten jezt die ganze Noth des Volkes und alles Unrecht, welches die Regierungen begiengen, gar nicht mehr kennen lernen, und schon darum ihre Schuldigkeit nicht thun, wie sichs gebührt hätte. Hierzu kam noch, daß allerlei Schleichwege eingeschlagen wurden, um Leute in die Ständeversammlungen zu bringen, welche die unterthänigen Knechte der Regierungen waren. Das geschah leicht, weil diese Schliche nicht gedruckt werden durften ; weil man das Volk über seine Rechte nicht belehren durfte. So sind denn auch in Baiern und in Würtemberg, in Baden, 6 Hessen, Nassau u. s. w., die meisten Landstände bloße Ja-Herren geworden, wie sie es in Oestreich und in Preußen sind. Und darum hat das Volk in fünfzehn langen Jahren durch seine Landstände wenig oder gar nichts gewonnen, sie haben ihm fast mehr gekostet, als Nuzen gebracht. Nachdem es einmal so weit gekommen war, dachte man auch nicht mehr daran 3) Den Artikel 19 der Bundesakte zu vollziehen und den Handel und Verkehr im ganzen deutschen Vaterlande frei zu geben. Denn um dem Volke das Geld leichter aus dem Beutel zu holen, um die Staatskassen zu füllen, um übermäßige Besoldungen zu bezahlen und faule Bäuche füttern zu können, wurden die unseligen Mauthen eingeführt. Damit ist die Noth und das Elend immer größer geworden. Endlich kam der Monat Juli des Jahres 1830 heran. In dieser Zeit erhoben sich die Franzosen gegen ihren meineidigen König und gegen ihre hochverrätherischen Minister. Das gute Beispiel wirkte auch bei uns, und die Deutschen erwachten endlich aus ihrem Schlafe. Die Sachsen erhoben sich. Die Braunschweiger brannten ihrem Tyrannen das Schloß ab und jagten ihn ans dem Laude. Die Kurhessen standen auf und erzwangen sich eine Verfassung, die besser ist, als jede andere in Deutschland. Auch die Baiern, die Würtemberger, die Hannoveraner, die Bewohner des Großherzogthums Hessen, die Nassauer regten sich und mahnten an die Gewährung der so lange vorenthaltenen Rechte. Jezt traten auch die Landstände kräftiger auf, weil das Volk selbst kräftiger auftrat. Nach langem Zanken und Streiten, brachten die baierischen Stände wenigstens eine kleine Verminderung der Abgaben zu Stande. Es war wenig genug, was sie zu Stande brachten, aber selbst dieses Wenige versezte die großen Herren in Zorn und Grimm. Die badischen Stände, worunter viele tüchtige deutsche Männer, sezten gleichfalls eine Verminderung der 7 Abgaben durch und verschafften dem Volke Erleichterung an Frohnden und an Zehnden; auch wurde den Badnern die Preßfreiheit wiedergegeben, und nach langem Schweigen ließen sich dort wieder frische und freie Stimmen hören. Im Großherzogthum Hessen hatte das Volk dem neuen Groß-Herzoge seine Schulden bezahlen sollen, aber die Landstände sagten: »Nein, wir geben nichts.« Die Nassauer Stände forderten Rechenschaft über die Verwaltung der Staatsgüter und wegen der Verschleuderung der Gelder. Sie wehrten sich tapfer gegen die Verlezung ihrer Verfassung; sie bewilligten keine neuen Steuern und blieben standhaft, ob sie gleich auf schändliche Weise verfolgt und bedrückt wurden. Die Stände im Kurfürstenthum Hessen und in Hannover hatten sich seither auch wacker gehalten ; und so läßt sich auch von den Würtembergern etwas Tüchtiges erwarten. Doch wir wollen sie nicht im Voraus loben; denn gerade jezt gilt es, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen und am guten Rechte des Volkes festzuhalten. Thun sie das nicht, wie sich's gebührt, so wären sie nicht Volksvertreter, sondern Volksverräther; und jeder ehrliche Mann müßte sie verachten und sich ihrer schämen. Was also in den letzten zwei Jahren von den Landständen zum Vortheil des Volks gethan worden ist, es ist zwar noch nicht viel gewesen, aber es war doch ein guter Anfang. Man hätte nun erwarten sollen, daß endlich auch die Fürsten in sich gehen und als ehrliche Männer ihre früheren Versprechungen redlich erfüllen würden. Aber was ist geschehen? Statt diese Versprechungen zu erfüllen, will man dem deutschen Volke gar noch nehmen, was es hat und was ihm von Gott und Rechtswegen gebührt. Wer das nicht glauben will, weil es ihm zu schändlich bedünkt, der höre und lese, was der Frankfurter Bundestag am 28. Juni auf den Befehl von Oestreich und Preußen in sechs Art. beschlossen hat. Auf gut Deutsch heißt der erste Artikel: Die deutschen Landstände mögen zu Nuzen und zum 8 Vortheil des deutschen Volks bitten und beschließen, was sie wollen, so haben sich die Fürsten und Minister nichts darum zu bekümmern. Der zweite Artikel: Die Landstände mögen die Steuern verwilligen oder verweigern, so müssen doch die Bürger und Bauern bezahlen, was von ihnen gefordert wird. Der dritte Artikel: Wenn die Gesandten am Bundestage haben wollen, daß etwas in einem deutschen Lande geschehe oder nicht geschehe, so muß unterthänigst gehorcht werden ; es mag den Landständen und dem Volke gefallen oder nicht gefallen. Und wenn die Gesandten am Bundestage Geld fordern vom deutschen Volke, so muß es in den Sack greifen und muß diejenigen bezahlen, die ihm die Haut über den Kopf ziehen wollen. Der vierte Artikel: Es wird am deutschen Bundestage eine Commission ernannt, welche den Landständen den Mund zuhält, wenn sie frank und frei die Wahrheit sagen wollen. Der fünfte Artikel: Die einzelnen deutschen Regierungen sollen dafür sorgen, daß die Landstände künftig nicht mehr vor aller Welt behaupten, was doch alle Welt weiß: daß nemlich von dem Bundestage in Frankfurt für das Wohl des deutschen Vaterlandes noch nichts Gutes, sondern nur Schlimmes geschehen ist, und daß auch in Zukunft nichts Besseres sich von ihm erwarten läßt. Oder mit andern Worten: Die Regierungen sollen zu jedem ehrlichen Landstande sagen, der auf den Frankfurter Bundestag zu reden kommt: »Recht hast du, aber schweigen mußt du.« Endlich erklären noch im sechsten Artikel die Fürsten durch ihre Gesandten in Frankfurt: In der deutschen Bundesakte haben wir zwar dem deutschen Volke dies und das versprochen; da wir aber 9 nicht willens sind, unsere Versprechungen zu halten, so wollen wir diese Bundesakte auslegen, wie es uns gefällt. Und am Schlusse wird noch verkündet, daß allen freimüthigen Schriftstellern, allen Zeitungsschreibern u. s. w. die sich unterstanden haben, Freunde des Volks zu seyn, und die Rechte des Volks zu vertheidigen, das Maul gestopft werden soll. Damit hat man schon vor den neuesten Beschlüssen den Anfang gemacht, und bald da und bald dort ein freimüthiges Blatt unterdrückt. Und in den letzten Tagen hat auch der Bundestag zwei Zeitungen verboten : den «Wächter am Rhein» und den «Freisinnigen.» Der Wächter am Rhein ist ein gutes Blatt, das in Mannheim herauskommt und weit und breit Beifall gefunden hat. Und die Bürger und Bauern, welche den Freisinnigen gelesen, die werden wissen, daß nichts darin gestanden hat, als was recht und wahr ist. Wie sollte es auch anders seyn? Die Männer, die den Freisinnigen geschrieben haben, sind Ehrenmänner. Einige von ihnen, Namens Rotteck, Welker und Duttlinger, hatte das badische Volk zu Abgeordneten auf seinen vorigen Landtag gewählt, und sie haben auf diesem Landtage für die Sache des Volks muthig gesprochen und gehandelt. Das ist's aber gerade, was dem Bundestage nicht gefallen hat. Von den sechs Artikeln der Bundesbeschlüsse giebt keiner dem andern viel heraus; aber der schlimmste von allen ist doch der Artikel 2. Da heißt es wörtlich: Daß «die Fälle, in welchen ständische Versammlungen die Bewilligung der zur Führung der Regierung erforderlichen Steuern auf eine mittelbare oder unmittelbare Weise durch die Durchsetzung anderweiter Wünsche und Anträge bedingen wollten, unter diejenigen Fälle zu zählen seyen, auf welche die Art. 25 und 26 der Schlußakte in Anwendung gebracht werden müßten. » Nun merke man aber: 1) In allen unsern Verfassungen, — in Bayern, 10 Würtemberg, Baden, im Großherzogthum Hessen, im Kurfürstenthum Hessen, in Nassau u. s. w. steht ausdrücklich mit dürren Worten: Die Landstände haben das Recht, die Steuern zu verwilligen, oder zu verweigern. Werden die Steuern verweigert, so kann die Regierung die Landstände fort schicken. Das Volk wählt dann noch einmal; und wenn es mit seinen früheren Landständen zufrieden gewesen ist, so kann es auch wieder dieselben, Männer wählen. Diese Männer versammeln sich zu einem zweiten Landtage und die Regierung muß nun zusehen, ob sie mit den neuen Landständen besser zu recht kommt, als mit den alten; aber sie darf in keinem Fall die Steuern erheben lassen, die von den Landständen nicht bewilligt worden sind. Haben also die Landstände gesagt: «Wir geben keine Steuern,» oder: «Wir geben nicht soviel Steuern, als die Regierung verlangt,» so haben sie damit nicht in's Blaue hinein geredet; sondern ihre Meinung ist die : «die Minister gefallen uns gar nicht weil sie nicht gut regieren wollen, oder nicht gut regieren können; weil sie das thun, was das Volk unglücklich macht, oder weil sie Das nicht thun, was das Volk glücklich macht, und wir würden also gegen Eid und Pflicht handeln, wenn wir einem solchen Ministerium die Steuern in die Hände geben wollten.» Nun müssen die Minister entweder ihr Amt niederlegen, oder sie müssen es besser machen, als sie es bisher gemacht haben. Nur hierdurch ist es möglich, daß das Volk zufrieden gestellt, und daß Ruhe und Ordnung im Lande gehalten werden. Aber nach dem Art. 2. der Bundesbeschlüsse soll es in Zukunft anders gehalten werden. Nach diesem Artikel soll von Steuerverweigerung und zugleich von Anträgen und Wünschen der Landstände nicht mehr die Rede seyn. Und doch mögen es die Landstände anfangen, wie sie wollen, sobald sie die Steuern verweigern, erklären sie damit immer : Wir wünschen und tragen darauf an, daß die Minister in Diesem 11 und Jenem anders handeln mögen, als sie es seither gethan haben; und weil wir dieß wünschen und darauf antragen müssen, so verweigern wir die Steuern.» Der Artikel 2. der Bundesbeschlüsse sagt also gar nichts Anderes als : «Das landständische Recht der Steuerverweigerung soll vernichtet seyn.» Oder mit andern Worten: «Die von den Fürsten beschworenen Verfassungen sollen vernichtet seyn.» Denn wenn die Landstände die Steuern nicht verweigern dürfen, so sind alle Verfassungen und alle Landtage nur eitel Komödienspiel, womit man das Volk zum Narren hat, und wofür es noch ausserdem die Kosten bezahlen muß. Und nun merke man weiter 2) Was die Artikel 25. und 26. der Schlußakte sagen, welche nach dem Art. 2. der Bundesbeschlüsse in Anwendung kommen sollen, wenn die Landstände die Steuern verweigern. Diese Art. 25. u. 26. sagen: «Wenn in einem deutschen Bundesstaate, also z. B. in Bayern, Würtemberg, Baden, Kurhessen etc.. Aufruhr ausgebrochen oder zu befürchten ist, soll der Frankfurter Bundestag fremde Truppen in's Land schicken und Gewalt brauchen lassen.» Wenn also die Landstände die Steuern verweigern, wie sie dazu ein Recht haben, und wenn das Volk die Steuern nicht bezahlt, die es zu bezahlen nicht schuldig ist, so soll das Volk als Rebellen behandelt werden; während doch gerade diejenigen Rebellen sind, die unrechtmäßige Steuern und Abgaben eintreiben wollen. Schmach und Schande über uns, wenn wir uns Das gefallen lassen ! Sind wir Schaafe, so geschieht uns recht, wenn wir geschoren werden ; und erst wird man uns scheeren und dann wird man uns schinden. Aber wir sind deutsche Männer, die ihr gutes Recht kennen und ihr gutes Recht zu behaupten wissen. Was werden wir also thun? Die Antwort ist sehr einfach: «Halten uns die Fürsten ihr Wort nicht, so sind wir auch den Fürsten nichts schuldig; wir sind ihnen also auch keine Steuern und Abgaben mehr schuldig. « Da meint nun der Eine und der Andere: «Ja, das ist leicht gesagt! Aber dann werden wir ausgepfändet.» Wir wollen das einmal näher betrachten. Also gesetzt den Fall, es werden unrechtmäßige Steuern abgefordert, so sagen wir: «Wir geben nichts.» Darauf kommen sie und wollen auspfänden. Wer mir aber mit Gewalt nehmen will, was ich nicht schuldig bin, der ist nicht besser als ein Räuber. Wenn wir ihn zum Hause hinaus werfen, so thun wir nur, was recht ist: wir vertheidigen unser Eigenthum. Aber gesetzt weiter den Fall, es wird ausgepfändet, und dem Einen eine Kuh, dem Andern ein Paar Ochsen, dem Dritten ein Wagen etc. weggenommen; so muß nun die Regierung die gepfändeten Sachen verkaufen lassen, um Geld zu bekommen. Wir gehen also hin an den Ort, wo verkauft werden soll und sagen: «Die Sachen gehören mein. Wer sie kauft, bringt geraubtes Gut an sich; wir verklagen ihn, und lassen es ihm wieder abnehmen.» Da wird denn kein ehrlicher Mann auch nur ein Gebot darauf thun wollen; und sollte gleichwohl ein Schurke da seyn, der sich kein Gewissen daraus macht, so kann es ihm übel aufstoßen. Was könnte nun weiter geschehen? Man könnte Soldaten zusammenrufen, um die Bürger und Bauern zu zwingen, die Abgaben zu bezahlen. Aber da man kein Recht hat, die Abgaben zu verlangen, so hat man auch kein Recht, den Soldaten zu befehlen, daß sie gegen das Volk Gewalt brauchen. Und wenn man den Soldaten nicht befehlen darf, so brauchen auch die Soldaten nicht zu gehorchen. Ja, sie dürfen in solchem Falle gar nicht gehorchen, so wenig, als Derjenige, dem man befiehlt: «Du sollst mir Diesen oder Jenen berauben oder bestehlen helfen.» Das müssen die Bürger und die Bauern den Soldaten bei Zeiten recht begreiflich machen. 13 Wollen sich nun die Soldaten gegen ihre Landsleute und gegen ihre eigenen Eltern und Brüder nicht gebrauchen lassen; so ruft man vielleicht Oestreicher und Preußen herbei, um das Volk zahm zu machen. Aber dann würden Soldaten, Bürger und Bauern und alle deutschen Männer zusammenhalten, die nicht feig und schlecht sind, um solchen Schimpf und solche Last von sich abzuwehren. Dann würden Bayern und Schwaben, Franken und Rheinländer, Hessen und Sachsen für einen Mann stehen; denn alle wissen gar wohl, wenn man erst die Einen unter das Joch gebeugt hat, daß sich bald auch die Andern unter das Joch beugen müssen. Auch wird man sich wohl hüten, Oestreicher und Preußen herbeizurufen, denn wenn die kommen, bleiben auch die Franzosen nicht lange aus; und wenn wir Deutsche es mit den Franzosen halten müssen, so kann es wohl geschehen, daß wir den Oestreichern und Preußen einen Besuch machen, statt daß sie uns im unserm Lande heimsuchen. Aber auch ohne die Franzosen sind wir stark genug; denn ein Volk ist immer stark, wenn es das Recht an seiner Seite hat, und wenn es entschlossen ist, sich sein Recht und seine Freiheit nicht nehmen zu lassen. Haben uns doch noch in den letzten Monaten die Engländer ein schönes Beispiel gegeben! Auch in England wollte ein stolzer Adel das Volk unterdrücken, und widersetzte sich hartnäckig allen Verbesserungen in der Verfassung, wodurch den Bürgern und den Bauern größere Rechte sollten eingeräumt werden. Da kamen in allen Gegenden, aus Dörfern und aus Städten, die Bewohner zusammen und erklärten: wenn man uns unser Recht noch länger vorenthält, so geben wir keine Steuern mehr; und in allen Straßen, an tausend Häusern wurden Zettel angeschlagen, auf welchen mit großen Buchstaben geschrieben stand: «Hier werden keine Steuern bezahlt!» Als dies 14 der Adel und die Vornehmen sahen, zogen sie die Nase zurück und gaben dem Volke, was des Volkes ist. »Das ist nun Alles gut» — meint Dieser und Jener —- «aber die Deutschen sind nicht einig.» Wenn sie auch früher nicht einig gewesen sind, so müssen sie es doch jezt wohl seyn; denn seit den Bundesbeschlüssen geht es ja dem Einen wie dem Andern an den Kragen. Sodann giebt es Mehrere, die zwar über diese Bundesbeschlüsse bedenklich den Kopf schütteln, aber sogleich hinzusetzen: «Es ist freilich nicht gut, daß es so gekommen ist; aber einige Zeitungsschreiber haben auch den Mund gar voll genommen und lauter geschrieen, als sie es verantworten können«. Aber daß die Männer, welche ihre warnende Stimme an das deutsche Volk schon vor einem halben Jahre erhoben, Recht hatten, wird Jeder einsehen, der was sie damals geschrieben jetzt noch einmal lies't, und mit dem Gelesenen vergleicht, was nun von den deutschen Fürsten und ihren Gesandten am Bundestage geschehen. —. Aber gesetzt auch es sollte Einer oder der Andere vielleicht, was doch nicht der Fall ist, mehr gesagt haben, als er verantworten kann, was thut das zur Sache? Sollen sich Tausende und Millionen gefallen lassen, mit Ruthen gezüchtigt zu werden, weil ein Einziger die Ruthe verdient hat? Vor solcher Gerechtigkeit möge uns der Himmel behüten! — Und wieder Andere giebt es, welche meinen: Es sind nicht sowohl die Fürsten, welche das Unglück verschuldet haben, als die schlechten Rathgeber, von welchen die Fürsten umgeben sind.» Und allerdings mögen die schlechten Rathgeber viele Schuld tragen; aber wer sich von seinen Rathgebern und Ministern zum Schlechten und zum Wort-und Eides-Bruch verleiten läßt, der taugt nicht zum Fürsten. Wenn mir mein Recht und mein Gut genommen werden, so ist die Hauptsache, daß ich sie nicht mehr habe; und ob Dieser oder Jener die größte Schuld daran hat, das läuft auf Eines hinaus. 15 Also zu unser Aller Nutz und Frommen, deutsche Männer, laßt uns 1) Aller Welt zeigen, daß wir nicht dumm und stamm sind, sondern daß wir unser Recht kennen, und daß wir entschlossen sind, es zu behaupten und zu vertheidigen. Darum von allen Orten her: Protestationen und Verwahrung unserer Rechte gegen die Bundesbeschlüsse. Solche Protestationen haben bereits in Kurhessen Tausende von wackern Männer eingereicht. Ein Gleiches ist in Würtemberg geschehen, in Baden, Bayern u. s. w. Und wo man noch nicht dazu gethan hat, da soll man alsbald zum Werke schreiten. Wenn hundert tausende von deutschen Männern sich in gleichem Sinne aussprechen, so ist auch das gute Wort eine gute That und wird Freiheit bringen. 2) Wo Landstände gewählt werden, wie bald in Kurhessen geschieht, da soll man sich jetzt besonders angelegen sein lassen, nur tüchtige und entschlossene Männer zu wählen, die Kopf und Herz auf dem rechten Flecke haben. Und wo schon Landstände gewählt sind, da soll ihnen das Volk sagen: « Wir erwarten von Euch, daß Ihr Eure Schuldigkeit thut; wir erwarten, daß Ihr die Gesandten am Bundestage, oder die Minister, die ihre Einwilligung zu den Bundesbeschlüsse gegeben haben, öffentlich anklagt, wie Ihr dazu berechtigt und verpflichtet seyd; wir erwarten, daß Ihr solchen Ministern, die sich als Feinde des Volks und als Feinde unserer Verfassung zeigen, keinen Heller Steuern und Abgaben verwilligt, denn wenn Ihr das Gut des Volkes seinen Feinden in die Hände gebet, so seyd Ihr selbst Volksfeinde und vergesset Eures Eides. 3) In allen deutschen Ländern, wo noch keine Bürgergarden sind, wie sie die Kurhessen haben, sollen Alle und sollen vor allen die Landstände verlangen, daß dem Volke die Waffen in die Hände gegeben werden; wehr- 16 loses Volk ist gleich dem Sperlinge in den Klauen des Habichts. Aber wir brauchen nicht zu warten, bis sie uns erst gnädigst erlauben, Wehr und Waffen zu tragen. Hat doch ein Jeder schon jetzt das Recht, für sein gutes Geld sich deren anzuschaffen, soviel er kann und mag. Keiner, der hierzu im Stande ist, soll damit säumen und zögern. Denn erst wenn wir uns bereit zeigen, auf den ersten Ruf unsere Verfassung und unsere Freiheit mit Gut und Blut zu schützen, sind wir der Freiheit werth. Darum sey unser Aller Losung: Einig und muthig! Gilt es doch: Unser gutes Recht !

Literatur

  • Dr. Britta Hallmann-Preuß, Georg Karl Rings, Dr. Fritz Schumann (2009): Johannes Fitz - genannt der Rote. Bad Dürkheim
  • Herausgeber Kulturministerium Rheinland-Pfalz (1982): Hambacher Fest 1832-1982. Neustadt an der Weinstraße
  • Hrsg. Kultusministerium Rheinland-Pfalz (1990): Hambacher Fest 1832 Freiheit und Einheit - Deutschland und Europa (Katalog zur Dauerausstellung). Neustadt an der Weinstraße
  • Kurt Baumann Hrsg. (1982): Das Hambacher Fest - 27. Mai - Männer und Ideen. Speyer
Veröffentlicht Veröffentlicht
1832
Wurde erwähnt Wurde erwähnt
1832
Frankfurter Bundestag
Frankfurt am Main
1831 1834
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

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