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Kunstgewerbemuseum Brandenburgische Gläser

Brandenburgische Gläser

Sturzbecher in Gestalt einer Nonne

Becherförmige Kuppa mit einem mattiertem Band mit polierten Kugeln über einem geblänkten Kugelfries, der Mündungsrand verwärmt, angesetzt ein massiver Knauf in Gestalt einer plastisch geformten Nonnenbüste. Die Büste wurde in eine zweiteilige Form gegossen, Details des Gesichts überschliffen, geschnitten und poliert, Schleier ihres Ordensgewandes mattiert. Das Glas ist krank. Solche Scherzgläser, die nur auf dem Kopf stehend geleert und nicht abgesetzt werden konnten, mokierten ganz unzweideutig den Klerus. Sie waren bei der höfischen Tischgesellschaft wegen ihrer kunstvollen Verarbeitung beliebt und insbesondere, weil sie das Ritual des gemeinsamen Mahls amüsant auflockerten. Aus der Potsdamer Glashütte sind mehrere Exemplare überliefert. Ein Sturzbecherpaar mit nahezu identischem Schaft ist im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG, Inv. Nr. XIII 1482). Vergleichsstücke aus farblosem Glas, mit variiertem Sockelschaft, verwahren das Germanische Nationalmuseum München (Inv. Nr. 63/19), die Stiftung Stadtmuseum Berlin (Inv. Nr. II 62/542 A) und das Mainfränkische Museum Würzburg (Inv. Nr. S. 62596). Beispiele mit Mönch und Nonne aus Rubinglas, ebenfalls mit Schaftaufbau als Sockel, befanden sich laut Inventarbuch 1738 in Schloss Monbijou (vgl. Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, S. 65). Weitere Beispiele dieses Typs sind ebenfalls im Bestand der SPSG (Inv.-Nr. XIII 729, XIII 730, publiziert im Themenportal "Brandenburgisches Glas") sowie in der Literatur dokumentiert (Götzmann/Kaiser, Gläserne Welten, 2017, Kat. 95, 96, S. 159, 160; Franze, Mönch und Nonne, 2008; Rückert, Die Glassammlung, Bd. 2, 1982, Kat. 817, S. 278, Taf. 255; Mosel, Glas, 1979, Kat. 234, S. 149; Hörning, Gläser vom XVI. bis XIX. Jahrhundert, 1978, Kat. 102; Klesse, Glassammlung Krug, Bd. 1, 1965, Kat. 276, S. 252f.; Berckenhagen, Berliner und märkische Gläser, 1956, Abb. 17, 18; Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, Taf. 29.1). Walter Stengel (1882–1960) hat sich mit Vorbildern dieser Potsdamer Erzeugnisse in der Gold- und Silberschmiedekunst beschäftigt (Stengel, Brandenburgische Gläser, 1949, S. 13f.). [Verena Wasmuth]

Sturzbecher in Gestalt eines Mönches

Becherförmige Kuppa mit einem mattiertem Band mit polierten Kugeln über einem geblänkten Kugelfries, der Mündungsrand verwärmt, angesetzt ein massiver Knauf in Gestalt einer plastisch geformten Mönchsbüste. Die Büste wurde in eine zweiteilige Form gegossen, Details des Gesichts überschliffen, geschnitten und poliert, die spitz zulaufende Kapuze seines Ordensgewandes mattiert. Das Glas ist krank. Schon seit dem 16. Jahrhundert erfreuten sich Scherzgläser, also Gefäße, die das Trinken erschweren, großer Beliebtheit. Dieser glockenförmige Becher ohne Fuß konnte nur gestürzt geleert werden und wurde dann auf dem Kupparand abgestellt. Die Mönchsbüste geriet dabei vom Kopf stehend wieder in die Senkrechte. Zu dem Becher gehört ein Pendant mit der Büste einer Nonne (Inv.-Nr. W-1971,72). Weitere erhaltene Exemplare, teils mit Büste auf einer aus farblosem sowie aus Rubinglas bezeugen das Interesse des preußischen Hofs an diesen wenig frommen Gläsern (Götzmann/Kaiser, Gläserne Welten, 2017, Kat. 95, 96, S. 159, 160; Franze, Mönch und Nonne, 2008; Rückert, Die Glassammlung, Bd. 2, 1982, Kat. 817, S. 278, Taf. 255; Mosel, Glas, 1979, Kat. 234, S. 149; Hörning, Gläser vom XVI. bis XIX. Jahrhundert, 1978, Kat. 102; Klesse, Glassammlung Krug, Bd. 1, 1965, Kat. 276, S. 252f.; Berckenhagen, Berliner und märkische Gläser, 1956, Abb. 17, 18). Auch Königin Sophie Dorothea (1687–1757) hatte nachweislich ein Paar Sturzbecher mit Mönch und Nonne in ihrer Sammlung (Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, S. 65). [Verena Wasmuth]

Kuppa und Schaft eines Glaspokals

Becherförmige Kuppa mit Balusterschaft aus farblosem Glas zum Einstecken in einen dafür rund zugeschliffenen Fuß. Der Baluster mit großer, eigestochener Luftblase zwischen Ringscheiben mit Oliven trägt einen versenkten Spitzblattdekor, ebenso der Kuppaansatz. Die Wandung der Kuppa ist mit dem großen, von zwei großen Adlern flankierten brandenburgisch-preußischen Wappen in Tiefschnitt dekoriert. Den verwärmten Mündungsrand ziert ein Rundbogendekor in Schälschliff. Dieses Pokalfragment ist sehr krank. Das dargestellte Wappen spricht dafür, dass es sich bei dem Pokal um eine höfische Auftragsarbeit handelt. Kein zweiter brandenburgischer Pokal mit einer Steckfunktion am Übergang vom Fuß zum Schaft ist dokumentiert oder überliefert. Daher muss die Frage nach der Fußform unbeantwortet bleiben. Das Glas dürfte stilistisch in die Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. (reg. 1713–1740) datieren und aus Potsdam stammen. [Verena Wasmuth]

Pokal mit Sinnbild und Inschrift

Pokal aus farblosem Glas, verwärmter Abriss am Boden, ansteigender Fuß mit einem Kranz aus länglichen Oliven, der schlanke Schaft mit Nodus und getrepptem Rundknauf, beide wabenfacettiert, die Zwischenglieder glattrund. Die sich konisch öffnende Kuppa hat einen kräftigen Eisboden, der innen einen Kranz aus acht eingestochenen Luftblasen um eine zentrale hat und außen mit Kantenschliff in einer Art Diamantborte strukturiert ist. Die Wandung der Kuppa trägt oben und unten einen feinen Fries aus kleinen, geblänkten Oliven und ist mit einer emblematischen Szene auf einem umlaufenden Landschaftssockel mit zwei diamantgerissenen Häusern im Hintergrund dekoriert: Ein Amorknabe greift von hinten nach dem Arm einer sitzenden Frau; darüber die anzügliche Inschrift: Vergnügen geht über reichthum. Die Kuppa ist krank. Formal dürfte es sich bei diesem Pokal um ein Produkt der Zechliner Glashütte handeln (vgl. Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, Taf. 34.2; Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. II 97/139 A). Er datiert in die 1740er Jahre. Eine Nähe des Glasschneiders zu dem dort tätigen Meister Elias Rosbach (tätig 1727–1765) ist offensichtlich, sehr ähnlich sind Sujetwahl und Handschrift, etwa Details der Landschaft. [Verena Wasmuth]

Vivatglas mit dem Bildnis Friedrichs II.

Pokal aus farblosem, manganstichigem Glas, Abrissnarbe am Boden, Glockenfuß mit einem Facettenfries in Schälschliff, der Schaft aus Nodus und gekehltem Übergang zum massiven Kugelbaluster mit fünf konzentrisch eingestochenen Luftblasen ist wabenfacettiert, der Übergang zur becherförmigen Kuppa gekehlt und ebenfalls wabenfacettiert. Am Eisboden der sich konisch darüber weitenden Kuppa wiederholt sich der Luftblasendekor vom Schaft sowie der radiale Facettendekor vom Fuß. Die Schauseite der Kuppa zeigt eine bekrönte Rollwerkkartusche mit dem mattgeschnittenen Profilbildnis König Friedrichs II. in Harnisch, die Haare zum Zopf gebunden; darüber die Inschrift: Es lebe der König. Den verwärmten Mündungsrand ziert ein fein geblänkter Perlfries. Dieser Pokal aus der Zechliner Glashütte zeigt ein Brustbild des als Friedrich der Große bekannten Preußenkönigs Friedrich II. (1713–1786), jugendlich kräftig in Harnisch. Die Darstellung geht auf eine Silbermünze von Johann Conrad Marmé (1710–1772) aus dem Jahr 1751 zurück (vgl. Münzkabinett SMPK, Inv. Nr. 18205935). Sie diente auch einem anderen Zechliner Glasschneider für einen Pokal mit Vergoldung als Vorbild (Baumgärtner, Porträtgläser, 1981, Abb. 16, S. 24). In der frühen Neuzeit ließ man mit derartigen Vivatgläsern seinen Landesherren mit dem Zutrunk aus einem gläsernen Pokal hochleben und trank auf seine Gesundheit. Sie werden daher auch als Gesundheitsgläser bezeichnet. [Verena Wasmuth]

Kelchglas mit Bacchuszug

Kelch aus farblosem, leicht gelbstichigem Glas mit ansteigendem Fuß dekoriert mit einem Spitzblattfries, Abrissnarbe am Boden, dem am Ofen geformten Schaftbaluster wurde eine längliche Luftblase eingestochen, darüber ein kleiner Nodus. Sowohl der Baluster als auch der Nodus sind mit einem Kranz aus Oliven verziert. Am Ansatz der becherförmigen Kuppa wiederholt sich der Spitzblattdekor vom Fuß, dazu eine Reihe kleiner geblänkter Oliven, die Kuppawandung ist umlaufend mit dem mattgeschnittenen Triumphzug des Bacchus auf einem baumbestandenen Landschaftssockel dekoriert: der einen Pokal haltende Weingott sitzt auf einem Fass in einem Wagen, gezogen von einem Pferd, auf dem ein Amorknabe reitet. Die Gegenseite trägt die Darstellung eines zweiten Amorknaben mit Früchtekorb. Den verwärmten Mündungsrand schmückt ein Kranz aus mattgeschnittenen Kugeln. Der Dekor vereint typische Motive des brandenburgisch-preußischen Glasschnitts: Auf zahlreichen anderen Gläsern ist der Bacchuszug dargestellt, der Wagen mal von Leoparden, mal von Panthern, mal von Bacchanten gezogen (vgl. Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nrn. II 60/229 A und II 62/517 A; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Inv. Nr. XIII 1022; Schade, Deutsches Glas, 1968, Taf. 60–62; Papendorf, Märkische Gläser, 1965, Abb. 57, S. 146). Amor- oder Bacchusknaben sowie sogenannte "Früchtekinder" mit Körben voller Früchte und Blumen sind überdies wiederkehrende Themen. Die Bestimmung dieses Potsdamer Kelchs als Weinglas spiegelt sowohl das Sujet, als auch im Kleinen der abgebildete Pokal. Der etwas grob bzw. einfach ausgeführte Schnitt auf diesem Kelch spricht für eine Werkstattarbeit, wie auch der nicht versenkte Spitzblattdekor sowie der unpolierte Kugelfries am Mündungsrand. Das Glas stammt aus der Königlichen Kunstkammer, Berlin. [Verena Wasmuth]

Trichterpokal mit Amorknabe und Sinnspruch

Pokal aus dickwandigem, farblosem Glas, Bodenkugel, leicht ansteigender Scheibenfuß mit versenktem Zungenfries, angesetzt ein massiver, sich konisch weitender Schaft mit achtfacher in Rundbögen auslaufender Facettierung in zwei Etagen übereinander, der nahtlos in die Kuppa übergeht. Die Kuppawandung ist mit der Darstellung eines unter einem Baum sitzenden Amorknaben auf einem Landschaftssockel dekoriert, daneben ein kubisches Monument und verschiedene Pflanzen. Darüber die Umschrift: Durch Gedultt und Zeitt. Den verwärmten Mündungsrand ziert ein Kranz aus geblänkten Kugeln. Das Glas ist fortgeschritten krank. Trichterpokale mit "gemuscheltem" Schaft und mythologischem Sujet aus der Potsdamer bzw. Zechliner Hofglashütte sind mehrfach überliefert. Sie werden meist in die Jahre 1730 bis 1740 datiert und mitunter dem Glasschneidermeister Elias Rosbach (tätig 1727–1765) zugeschrieben (vgl. Klesse/Mayr, Veredelte Gläser, 1987, Kat. 137; Baer, Ausgewählte Werke, 1975, Kat. 26, S. 126f.; Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, Taf. 33.4+6). Spätere Pokale diesen Typs sind ebenfalls bekannt, diese sind zudem überwiegend vergoldet. [Verena Wasmuth]

Becher mit Triumphzug des Bacchus

Konischer Becher aus farblosem, dickwandigem Glas mit Standring im Brilliantschliff (später Steinelschliff), darüber ein versenkter und mattierter Spitzbogenfries, große Bodenkugel. Die Wandung ist umlaufend mit der mattgeschnittenen Darstellung des Triumphzugs des Bacchus auf seinem leopardengezogenen Wagen dekoriert, begleitet von Kinderbacchanten und einem flötespielenden Satyr auf einem baumbestandenen Landschaftssockel. Den beschliffenen Mündungsrand ziert ein geblänkter Perlfries. Ein ehemals wahrscheinlich zugehöriger Deckel fehlt. Das Glas ist fortgeschritten krank. Das Sujet findet sich mehrfach auf brandenburgischen Gläsern und variiert lediglich in der Anordnung der dargestellten Akteure und darin, ob der Wagen von Leoparden oder Bacchanten gezogen wird (vgl. Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nrn. II 60/229 A und II 62/517 A; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Inv. Nr. XIII 1022; Schade, Deutsches Glas, 1968, Kat. 60–62; Berckenhagen, Berliner und märkische Gläser, 1956, Kat. 15, 24). Eine Nähe zur Werkstatt Gottfried Spillers (um 1663–vor 1728) ist im Vergleich stilistischer Merkmale denkbar. [Verena Wasmuth]

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