In den Evangelien Lukas 21,1-4 und Markus 12, 41-44 beobachtet Jesus eine arme Witwe, die eine Kupfermünze in den Opferstock wirft. Er weist seine Jünger darauf hin, dass die Frau vor den Augen Gottes ein weit höheres Opfer bringt als die Wohlhabenden, die nur einen Teil ihres Überflusses spenden.
Im 19. Jahrhunderts wurde das Motiv in der bildenden Kunst mehrfach aufgegriffen. Bekannte Versionen existieren von Alphonse Colas, als Bibel-Illustration von Gustave Doré oder als Biedermeier-Satire von Josef Franz Danhauser. Während die Witwe meist als Anschauungsobjekt religiöser Belehrung im Kontext einer Geschichte dargestellt wird und kaum individuelle Züge trägt, malte sie Edouard Louis Dubufe formatfüllend. Hier ist sie die noch junge Mutter dreier Kinder, deren jüngstes sie auf dem Arm trägt. Ihr Gesicht ist im Schatten, der Lichtakzent rückt ihre Tochter in den Vordergrund und macht sie zum eigentlichen Hauptmotiv. Das Mädchen übernimmt bereits die Verantwortung für den jüngeren Bruder. Mit ihrem blondem Haar ist sie ein Abbild blühender Jugend, doch ihr Blick zeigt Skepsis, Nachdenklichkeit und leise Zweifel ob der Sinnhaftigkeit des Opfers. Die großformatige Replik der Sammlung stammt aus dem Jahr 1861. Im Gegensatz zu Dubufes Version ist das Gesicht der Mutter im Licht erkennbar. Ihr Ausdruck ist nicht auf Leid und christliche Demut reduziert, sondern offenbart innere Stärke und Gefasstheit. Die Figur der Tochter wird durch das rote Kleid noch stärker hervorgehoben. Wir sehen hier zwei souveräne Menschen, die ihre schwierige Lage nicht nur mit Gottes Hilfe, sondern auch aus eigener Kraft bewältigen.
Die Replik trägt die Signatur „Guelmi Inghami“. Zu ihm als Künstler liegen bisher keine weiteren Informationen vor.