In seinem zeichnerischen Werk richtete Günther Knipp seinen Blick immer wieder auf die Randzonen der Kulturlandschaft. Das Aufgelassene und Weggeworfene wird von der Natur gewissermaßen verstoffwechselt und Teil eines neu entstehenden Landschaftsbilds. Von der Ruinenmalerei der Romantik bis zu den heute populären "Lost Places" hat jede Zeit ihre eigenen Betrachtungsweisen dieses Sujets entwickelt.
Die Zeichnung der Sammlung entstand 1981 und liefert eine Umkehrung dieses Blicks, also vom Rand zur Mitte hin. Den Vordergrund beherrschen die dunklen, massiven Formen der Militärarchitektur, der Blick wird aber in die Ferne gezogen, wo sich die Umrisse des Aachener Klinikums abzeichnen. Die Position des Betrachters befand sich vermutlich auf dem Gelände um den Aachener Schneeberg nahe der Klinik, wo noch zahlreiche Panzersperren einbetoniert stehen. Die Anordnung der zwei Bauwerke zu einem Motiv formuliert eine kraftvolle Darstellung der Gegensätze. Ein Bauwerk der Vernichtung neben einem Ort der Heilung, die Katastrophe der Vergangenheit neben der Hoffnung auf eine humanere, friedlichere Zukunft. Der Antagonismus allerdings setzt sich fort. Die Bollwerke wurden von ihren Erbauern mythisch aufgeladen: die "Siegfriedlinie", die mit ihren "Drachenzähnen" die Stadt Karls des Großen vor den Feinden aus dem Westen schützen sollte, beschwört das Erbe der Nibelungen.
Die ausgesäten Drachenzähne lassen neue Krieger aus der Erde wachsen. Das mythische Fundament nationalsozialistischer Ideologie bleibt in der Erde verankert, die Gestaltung einer helleren und menschenfreundlichen Zukunft eine prekäre Aufgabe.