Original: Deutsch
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Kaspers Leid und Freud.
von Karl Räder, Weihnachten 1935.
Personen:
Kasperl.
Seine Großmutter.
Der Herr Pfarrer Schmalz.
Der Schutzmann Beißzang.
Der Teufel.
Die Großmutter: (allein, traurig) "Ach was soll doch noch aus dem bösen
Bub werden, dem Kasperl?! - Seit sein Vater als Flieger =
Offizier bei der reitenden Gebirgsmarine in Abbessinien
kämpft und seit seine Mutter eine alkoholfreie Schnapswirt=
schaft bei den Zulukaffern am Nordpol betreibt, muß ich ihn
als seine ledige, alleinstehende Großmutter erziehn! -
Jeden Tag macht er neue Lausbubenstreiche ! - Er bringt
mich noch ins kühle Krematorium ! - Ich nage schon am
Grabesrand !
Gestern hat er wieder einem armen Schnauzerhund ein
altes Nachthäfel an den gestutzten Schanz gebunden !
Vorgestern hat er einer grindigen Angorakatze Nußschalen an
die Pfoten gebabbt! -Das hat geklappert auf dem Pflaster ! -
(jammert laut) (An die Zuhörer):
Was soll ich denn mit dem bösen Bub anfangen ? - Soll
ich ihn ins Konzentrazionslager nach Dachau schicken ? - -
Soll ich ihn in ein Nonnenkloster stecken ?- - -
Soll ich ihn zur Abkühlung freiwillig ins Arbeitslager nach
Bretten kommandieren ? (Es klopft an) Herein ! —
Der Schutzmann Beißzang: (Kommt herein und spricht gestreng und würdig.) Guten Tag ! Sind sie das alte Fräulein Zwiebelschlott, Verwitwete Puhlschöbber, geborene Krachmandel ?
Großmutter (geziert): Jawohl, das bin ich !
Schutzmann: Ich bin der Krrrinimalschutzmann Beißzang ! - Ich soll
Ihren frechen, ungezogenen Enkel, den Kasperl verhaften !
Großmutter(jammernd): Ach Gott, ach Gott, was soll denn das brave liebe Kind
wieder gemacht haben ? ! - -
Schutzmann: Erstens: Er hat die Schule seit 14 Tagen geschwänzt !
Grossmutter: (weinend) Ach der arme Bub
Schutzmann: Zweitens: er hat einen sechsfachen, stinkigen Knallfrosch
durchs Fenster ins Polizeibüro geworfen, daß der dicke Herr
Polizeikommisar Schmerbauch einen doppelten Schlauchanfall
vor Schrecken bekommen hat ! Er liegt zwei einhalb Zentner
Schwer in der orpodätischen Kinderklinik der Nudelfressität
Heidelberg! -
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Großmutter (weinend): Ach der arme Bubo
Drittens: Er hat einen rassereinen Spitzpudeldachs=
pintscher gestohlen und ihn an den koscheren Schweine=
metzger Isaak Lefi für zwanzig Mark verkauft ! -
Großmutter:(klagend) Ach der arme Hund ! * der arme Bub wollt ich sagen !
Schutzmann: Wo ist der multiplizierte Lausbub? ! Der abgekochte
Strizzi ? ! Der saudumme Schlaukopf ?! Der unkonfir=
mirte Räuberhauptmann? I Wo ist derr Kasparrrl. *
Kasperl: Kommt herein gerannt und rennt den Schutzmann um. Zum Schutzmann:
Perdauz ! - Ich wollte sagen Pardon ! (lebhaft und
lustig) Guten Tag liebe Grossmutter ! Fräu dich !
(laut) Holdrio ! Holdrio !( Sagt ihr ins Ohr):
Liebe Großmutti ! Ich hab heut 20 Mark verdient,
hier sind sie (zählt von 1 bis 20 )
Heut kannst du 5 Pfund Butter hamstern ! Heut gehen
wir ins Kino ! Heute dürfen mit hinein ! Heut gibts
den Film : Mussollerrini,Mackaronni, sokramento, malledetto
oder Der Heldendampf mit Pulverkampf der Italiener
gegen die Abbessinier !
Schutzmann:(grimmig) Wo hast du das Geld her, du kuhzünftiger Schinderhannes ?
Großmutter: (beschwörend) Mein braves, liebes gutes Enkelkind stiehlt kein
Geld nicht !
Kasperl:(verwundert) Die zwanzig Mark ! Ei, die hab ich rötlich verdient !
Schutzmann: Verdient ? Nein, die hast du erschwindelt !
Wie war die Sache ?
Kasperl: (lebhaft,lustig) Also unser Herr Professor, der Herr Doktor
Hickelbein hat in der Schul zu mir gesagt: Kasperl
sagt er, hat er gesagt, weil du in deinem deutschen
Aufsatz über Schillers Glocke von Göthe heute bloß
148 Fehler gehabt hast und weil du so brav bist;
kannst du heut spazieren gehn ! Auf der Straße beim
Herumbummeln in der Stadt (hat er gesagt)da lernst
doch mehr wie in der stinkigen Schulstube(hat er
gesagt).
Großmutter:(gerührt) Ach was für ein braver, lieber Bub !
Schutzmann:(wütend) Das sind alles unwahre gelogene Tatsachen, (laut)
Wo sind die zwanzig Mark her ? !
Kasperl: Ei Herr Polidreizehner !Das ging so zu: Wie ich so
nach der Schule durch die Stadt schlendre,finde ich
auf einmal einen Lederriemen auf der Straße. Ich hob
ihn auf und wollte ihn auf die Polizeiwache tragen.
Großmutter:(rührselig) So ein ehrlicher braver Bub !
Schutzmann: Weiter ! Wie war das mit dem Hund ? !
Kasperl: Auf einmal klopft mir einer mit einem Metzgerbeil
Zärtlich auf meine Schulter, ich drehe mich um mich
selbst herum, da steht der koschere Schweinemetzger
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Isaak Lefi vor mir und sagt: Was hast du da für einen
seltenen Hund an der Leine ? - Jetzt hab ich erst gemorken,
daß an dem gefundenen Lederriemen hiten ein Hund angebunden war.
Ich sagte: Herr Lefi hab ich gesagt, das ist ein mit dem
ersten Preis geprägten rassereiner Spitzpudeldachsfoxmops
mit einem Baumstamm.Und wie der Hund - ich meine der wirk=
liche Dachspudelfoxspitzmops,ich wollte der Spitzdackelfox=
mudelpops - nein der Moxdackelpudelspitzfops - also wie der
Hund den Herrn Lefi gerochen hat, hob er - der Hund - das
linke Hinterbein in die Luft und wollte dem Herrn Lefi die
Stiefel einfetten ! Da fuhl der Lefi dem Foxddudelpackelmords=
spitz - ah - Mopsspitz und sagte: Er erkennt mich gleich wieder
Und er fuhl ihm nochmal um den Hals und gab mir 20 Finderlohn;
Jawohl Herr Polizei=Krinimaloberpolidreizehnerinspecktor
so wars ! - - -
Großmutter: Ach was ein braver Bub ! Mer solls nit glabe !
Schutzmann: (empört) Du abgebrühter Lügenbengel !lch schlage dir mit dem Kau=
Gummiknüppel deinen zweistöckigen Eierkopf ein ! (Schlägt
nach ihm und trifft die dazwischenspringende Grossmutter auf
die Nase)
Großmutter: (Schreit und heult laut)Das ist eine Körperverletzung mit
nachfolgendem Tode !
Kasperl: (Rennt beide um und brennt mit höhnischem Lachen durch und
ruft noch): Ade,Herr Polizeipräsident ! (Ab)
Schutzmann: (Entschuldigend) Liebes Fräulein Zwiebelschlott, verwitwete
Puhlschöbber,geborene Krachmandel ! Es war bloß ein Drück=
Fehler von mir I Ich habe ihnen nicht mit Absicht auf Ihre
Schiefe Gurkenschnapsnase getroffen ? I
Großmutter: (Entrüstet) Schnapsnase, haben sie gesagt? Lch zeige sie an,
SIE saugrober Henkersknecht ! Sie haben mich gemistpraucht
mit Ihrer Dienstgewalt. Ich schlage Ihnen mit meinem Kochlöffel
Ihren saudummen Quadratschädel ein ! (holt einen grossen
Kochlöffel und verhaut den Schutzmann, der mit seimem Gummi=
knüppel auf die Großmutter drischt. Schreien, Prügelei, dann Ruhe
Schutzmann: (erschöpft) Wenn ich sie mit Absicht geschlagen habe, dann
soll mich gleich der Teufel holen !
Teufel: (kommt pfeifend, brüllend und johlend angefahren;Wild) Wen
soll der Teufel holen ? ! Wer hat mich gerufen ? ! Ich komme
direkt aus der glühenden Hölle ! Brrrh ! - Brrrh ! - (faucht)
Großmutter: (greinend) Hier dieses wütende Auge des Gesetzes wollte
meinen braven, frommen Enkel Kasperl einsperren.Da hab ich
abgewehrt und er hat mit mein edles Richorgan kaputt geschla=
gen ! In die Hölle mit dem blutgierigen Mörder !
Schutzmann: (demütig) Ach lieber Herr OberteufeI ! Gnade ! Ich habe daheim
eine Witwe mit 24 labendigen Kindern zu ernähren ! Ich will
zur Sühne die Großmutter noch dazu heiraten I
Teufel: Pfui,schämen Sie sich,Sie - Sie staatlich angestellter
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Ehebrecher=Kandidat ! Fort mit dir in die Hölle !
(Faucht und brüllt) (Der Teufel packt ihn, Geraufe, Prügelei
Gebrüll. Fährt mit ihm ab mit dem Rufe): Im die Hölle.in die
Hölle.
Großmutter: (ermattet) Ich glaube, ich falle in Allmacht - wollte sagen
in Ohnmacht ! Ach wenn ich nur ein Schnäpslein hätte
Teufel: (zurückkommend) Ach herrjäh,sie stirbt ! - Schnell einen
Höllenschnaps !
Kasperl: (kommt mit einem großen Krug und läßt die Großmutter Schnaps
trinken)
Großmutter: Ach wie gut ! Ich glaube ich bin wieder labendig ! Hm! Hm !
(Vorstellend):das ist mein lieber Enkel Kasperl, Herr Teufel !
Teufel: So,du bist der bekannte freche Lausbub Kasperl ! Huijoh !
Huijoh ! Komm her,du bist reif für die Hölle! (Will ihn packen)
Kasperl: (Entschlüpft ihm und rennt ihn um): Großmutti ! Hilfe !
Großmutter: (bittend) Ach Herr Teufel, nehmen sie lieber mich mit in die
Hölle ! Mich alte Großmutter !
Teufel: Nein, den da willich!l(auf Kasperl zeigend) Ich hab schon im
der Hölle eine Teufelsgroßmutter
Kasperl: (naiv) Ei was soll ich denn in der Hölle ? !
Teufel: Du bekommst für deine Streiche glühende Kohlen zu fressen
und mußt kochenden Schwefel saufen ! - Huijoh ! !
Kasperl: Da eß ich lieber Prrralinehh ! (Pustet den Teufel an, der er
schrocken ausweicht)
Teufel: Du kommst in die Hölle ! Du bist ein Faulenzer und hilfst
nicht deiner alten Großmutter im Haus und Garten ! Du bist
ein Zornnickel und stampfst mit den Hinterbeinen vor Wut !
Du läßt alles in deimen Zimmer herumliegen und räumst nichts
auf ! du schwänzst die Schule I du lügst als deine Großmutter
an ! Du sträunst in der Stadt herum und gehst nicht heim
beizeiten ! Du ließt schlechte Räubergeschichten ! Du hast
in die Hosen geprasselt ! (schauerlich) Huijoh ! Huijoh!
(laut) I» die Hölle mit dir (packt ihn)
Großmutter: (ängstlich) Hilfe,heiliger Nepomuk hilf !
Der Pfarrer: ( würdig salbungsvoll) Im Namen des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes (der Teufel winselt) Hebe dich hinweg
stinkiger Satan I (Schlägt ein Kreuz) (Der Teufel heult und
brüllt vor Wut und Ohnmacht; der Pfarrer hebt dem Teufel ein
Kreuz vor die Nase)
Großmutter: (freut sich und lacht)
Der Kasperl: (haut auf den Teufel)
Der Teufel: (fährt mit Huijoh=Gebrüll in die Hölle).