Elisabeth von Thüringen (1207-1231) wurde 1235 heiliggesprochen und wird konfessionsübergreifend als Sinnbild christlicher Nächstenliebe verehrt. Als Heiligenfigur wurde sie vom Mittelalter bis zum Barock auf zahlreichen Altären und Kirchenmalereien verewigt. Bekannte Darstellungen stammen von Hans Holbein dem Älteren (ca. 1516, rechter Flügel des Sebastianaltars, Augsburg) und Heinrich Schaffner (ca.1530, Altarbild des Ulmer Münsters). Als ikonographische Attribute trägt sie eine Kanne, einen Laib Brot oder Obst. Meist ist sie von Bettlern oder Kranken umgeben, denen Sie sich fürsorglich zuwendet. Dieser ikonographische Standard wird auch beim vorliegenden Objekt eingehalten. Das Bild entstand um das Jahr 1700 als Seitenflügel eines Barockaltars. Der Künstler ist bis heute unbekannt. Das schmale Format wird von der Heiligen fast völlig ausgefüllt, wodurch sie überlebensgroß wirkt. Die Figur des kranken Bettlers zu ihren Füßen ist in etwa proportionsgleich, aber die Enge der Kadrierung bringt ihre Zwangslage und Hilflosigkeit auf klaustrophobische Weise zum Ausdruck. Obwohl nicht kleiner gemalt, wirkt er winzig vor der hochaufgerichteten Heiligen. Das düstere Chiaroscuro versammelt alles Licht auf dem Gesicht und den Händen Elisabeths, die irdische Welt um sie versinkt in Dunkelheit. Im Hintergrund sieht man eine Andeutung städtischer Bauwerke, deren scharfkantige Abstraktion an expressionistische Architekturdarstellungen des 20. Jahrhunderts denken lässt.