In der Religionsgeschichte wurde Krankheit auch als Ausdruck einer Störung der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf interpretiert. Ihre Heilung durch Jesus Christus oder einen Heiligen brachte sinnbildlich das Verhältnis zwischen Gott und Mensch wieder in Ordnung. Voraussetzung war der Glaube und das Gottvertrauen des Erkrankten. Christian Wilhelm Ernst Dietrich griff das Thema mehrfach auf, um 1742 mit zwei Ölgemälden und später mit Druckgrafiken.
Der vorliegende Kupferstich entstand 1763 nach Vorlage der Gemälde. Die wesentlichen Elemente der Komposition wurden beibehalten: Die Architektur mit der massiven Mauer und der breite Torbogen, der im Hintergrund weitere Einzelheiten der Stadt und eine Hügellandschaft erkennen lässt. Auch die beiden Kamele links im Bild kommen in allen Versionen vor. Die gedrängte Vordergrundszenerie wurde im Detail verändert. Jesus erhebt hier seinen linken Arm, auf den Gemälden ist es der rechte. Der Kranke zu seinen Füßen liegt auf dem Boden, während er auf den Vorlagen auf einer hölzernen Trage oder einer Schubkarre liegt. Eine besorgte Mutter, die sich auf den Gemälden über ihr Kind beugt, wurde hier weggelassen. Die Lichtführung der Gemälde ist kontrastreich und konzentriert das durch den Torbogen fallende Licht auf die Figur des Heilands und die Menschen in seiner Nähe. Die Atmosphäre auf dem Kupferstich ist deutlich heller, das Licht verteilt sich über die gesamte Szene im Vordergrund. Links unter dem Bildteil steht die Signatur "Dietricy fecit".
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