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Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Die Sammlung von Franz Emil Hellwig

Die Sammlung von Franz Emil Hellwig

Über die Sammlung

1.700 Objekte umfasste die Sammlung des aus Halle (Saale) stammenden Unternehmers und ethnografischen Laien Franz Emil Hellwig (1854–1929), die von der Stadt 1899 erworben wurde. Es war eine der frühen und umfangreichen Kollektionen von Werken aus Ozeanien in Deutschland. Sie umfasste kunstvoll gearbeitete Waffen, Handwerksgeräte, Gebrauchsgegenstände und Skulpturen aus der Kolonie Deutsch-Neuguinea (heute Melanesien, vor allem Teile von Papua Neuguinea, sowie Teile Mikro- und Polynesiens).

Der Erwerb und die Rezeption der Sammlung ist ein bedeutendes Kapitel in der Museumsgeschichte, da vor allem die Wahrnehmung des Kunstwertes der Werke eng mit der Entwicklungs- und Stilgeschichte der modernen deutschen Kunst verknüpft ist. Max Sauerlandt (1880–1934; 1908–1919 Direktor des Museums) erkannte die künstlerischen Qualitäten und fand, im Gegensatz zu den Intentionen Franz Emil Hellwigs und anderer Wissenschaftler, einen bemerkenswert unvoreingenommenen Zugang zu diesen Werken aus der Sicht eines Kunstmuseums.

Franz Hellwig verknüpfte mit dem Verkauf seiner Sammlung die Hoffnung, dass dem städtischen Museum für Kunst und Kunstgewerbe eine ethnographische Abteilung angegliedert werden würde. Sie sollte der „Allgemeinheit“ zur „wissenschaftlichen und regulären Belehrung“ dienen, formulierte er noch 1925. Grundlage hierfür sollten neben seiner eigenen Sammlung die bereits zuvor angenommenen Schenkungen von Franz Berghaus sowie die von Emil und Paul Riebeck sein.
Teile von Hellwigs Sammlung hat Max Sauerlandt 1913 in den neu errichteten Museumsräumen in der Moritzburg als Teil der Dauerausstellung präsentiert. Im obersten Geschoss des Torturms im stadtseitigen Ostflügel zeigte er sie in Ergänzung der Präsentation der angewandten Kunst Deutschlands. Etwas Besonderes war die Integration eines Gemäldes von Emil Nolde in diese Ausstellung. Das Gemälde „Exotische Figuren: Europäer, Maske und Tonfigur“ (1912), heute bekannt unter dem Titel „Der Missionar“, arrangiert drei Kunstgegenstände aus Korea, Südsudan und Niger, die Nolde im Berliner „Völkerkunde“-Museum gesehen und gezeichnet hatte.

Sauerlandts Nachfolger Alois J. Schardt (1889–1955; 1926–1936 Direktor) ließ die Präsentation 1926 abbauen und die Werke verpacken. 1929 bis 1931 stellte Schardt den Raum Lyonel Feininger (1871–1956) als Atelier für seine Halle-Bilder zur Verfügung. Nach einem Besuch in Halle (Saale) im Februar 1927 schrieb Sauerlandt enttäuscht: „sehr schmerzt mich die Entfernung der Südseesammlung aus dem Organismus des Museums und ich finde diese Entfernung grundsätzlich falsch“. 1928 zog er die Leihgabe des Nolde-Gemäldes, die seiner privaten Sammlung entstammte, zurück, da es so im Museum seinen Sinn verloren habe.

Im Dezember 1953 übereignete das Museum mehr als 240 Einzelwerke sowie mehrere Kisten und Kartons kleiner ‚Objekte‘ an das Leipziger „Völkerkunde“-Museum. Über den Verbleib der übrigen mehr als 1.300 Arbeiten liegen keine Informationen vor.

Die Tätigkeit Hellwigs macht die große Ambivalenz solcher Sammlungen deutlich. Dem Verdienst der Dokumentation einer durch den Kolonialismus eruptionsartig veränderten Gesellschaft steht sein Anteil an der nahezu vollständigen Zerstörung ihrer Kultur und am Untergang des vermeintlichen „Südsee-Paradieses“ gegenüber. Das Ansammeln von Artefakten in großem Stil war ein Geschäftsmodell zur Erzielung von bedeutenden Gewinnen. Gleichzeitig war es mit der – sowohl materiellen wie auch ideellen – Ausplünderung der Region verbunden. Die Rechtmäßigkeit des Erwerbs der Werke muss heute stark bezweifelt und den Restitutionsansprüchen der Herkunftsgesellschaft daher offen begegnet werden.

Da Franz Emil Hellwig mit eindeutig kommerziellen Vorsätzen und im Rahmen des deutschen Kolonial­systems „sammelte“, finden Sie seine Sammlung durch­gestrichen gekennzeichnet.

Diese Sammlung ist Teil von

Sammlung Kunsthandwerk & Design [371]

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