Gleim an Raspe, 16.9.1772: „[…] ich denke, wenn ich recht was angenehmes denken will, an die wonnigen Stunden in [Tischbeins] Hause […]. Man hat mir versichert, mein Porträt sey fertig; darf ichs von dem vortrefflichen Mann abfordern? und wie fang‘ ichs an? [...] Mich verlangt sehr, mich von eines Tischbeins Hand getroffen zu sehn, nachdem ich von mancher andern Meisterhand nicht getroffen bin. Herr von Hymmen sagte mir, daß kein ähnlicher Bild auf der Welt sey!“
Gleim an Raspe, 11.10.1772: „Sorgen Sie doch, mein lieber Raspe, daß Herr Tischbein das Porträt mir bald übersendet. Und dann, im Vertrauen eine Bitte, die: Wie ichs anfange, daß ich ein Geschenk für seine Bemühung ihm anbringe? Was wäre wohl ihm angenehm? Etwa Berlinisches Porcelän? Oder was sonst?“ (Briefe an Raspe nach Andrea Lindemann 2022, S. 95)
Tischbein an Gleim, 16.10.1772: „Ihr andencken ist mir so angenehm als schmeichelhaft; und da ich es nebst Ihrer beständigen Freundschaft zu erhalten wünschte, so übersende ich hierbey das Portrait von dem meine Freunde Ihnen vielleicht zu viel gutes gesagt haben. Ließe sich außer der Ähnlichkeit einem solchen Wercke auch Geist und Leben geben, so müßte es auf Ihrem Bilde vor andern sichtbar werden.
Rückseite: „Hr: Gleims Canonicus in. [Leerstelle] // JH: Tischbein, gmahlt 1771 d. 26 Juni“
Gleim hatte 1756 ein Kanonikat im Stift Walbeck in der Magdeburger Börde erworben. Seine formelle Titulatur lautete seitdem „Kanonikus“. Ordensmitglieder waren die Kanoniker weltlicher Stifte nicht. Sie bezogen jährliche Einkünfte aus den Gewinnen der Stifte.
Das Porträt des zweiundfünfzigjährigen Johann Wilhelm Ludwig Gleim von der Hand Johann Heinrich Tischbeins d. Ä. entstand wohl auf den Wunsch des Malers hin. Gleim erhielt es als Geschenk von Tischbein. Im Gleimhaus existiert außerdem eine Kopie. Durch den Stich Gottfried Wilhelm Weises und weitere Reproduktionsstiche hat es weite Verbreitung gefunden. Es handelt sich um ein schlichtes Brustbild mit knappem Ausschnitt, durch den sich alle Aufmerksamkeit auf das beseelte Lächeln Gleims, der Miene der Sympathie zum Betrachter, konzentriert.