Der fünfteilige Schrank mit Schubladen im Sockel und im Gurtgesims sowie Tragegriffen an den Schmalseiten kommt formal vom spätgotischen Typus her. Der Dekor weist zum Barock. Gliederung und Rahmung der Arkaden erfolgen durch dorische und jonische Säulen. Im Oberschrank sind in schmalen muschelförmigen Seitenarkaden vollplastische weibliche Figuren eingestellt. Die lebhafte Eschenmaserung der Füllungen steht in der Tradition der Renaissance. Mit der Rückbesinnung auf die Antike entstand eine neue Formensprache. Das Meisterstück wurde verbindliche Voraussetzung für die Aufnahme in die Zunft.
Bei der Wahl zwischen dem "deutschen", d. h. spätgotischen, oder dem welschen, in Italien ausgebildeten Ornamentschatz wählten die Kunstschreiner bald die moderne Formensprache. Bei der Übernahme und Verbreitung des neuen Stils spielten die südwestdeutschen Handelszentren wie Augsburg, Nürnberg und Ulm eine führende Rolle. Der im 15. Jahrhundert ausgebildete Typus mit zwei übereinandergestellten, durch ein Gurtgesims getrennten Truhen mit Flügeltüren, auf einem Sockel ruhend und von einem Kranzgesims bekrönt, blieb weiterhin verbindlich. Die Proportionen des zweigeschossigen Schrankes entsprachen dem antiken Architekturkanon. Quadrate und Rechtecke wurden mit Vorliebe mit lebhaft gemaserten Eschenholz furniert, das zumeist per Schiff von Ungarn nach Ulm kam und dort umgeschlagen wurde. (Franz-Xaver Portenlänger)