Nach Swarzenski, 1927, S. 46:
Maria steht geneigten Hauptes mit Zepter und Krone auf der Mondsichel in der Strahlenglorie; das Kind hält eine Kugel.
Ein sich rollendes Schriftband umgibt die Darstellung:
"Sis precibus placata meis castissima virgo/ultima quum veniet iudicis illa dies."
Oben auf zwei sich verschlingenden gotischen Zweigen die Jagd des Einhorns.
Fleischteile in Graumalerei. Haare, Nimben, Glorie Beiwerk gelb.
Maria in weinrotem Kleide mit hellblauem Mantel.
Hintergrund rotes Granatmuster auf Schwarz; im unteren Teil sind Stücke des grünen Rasenbodens erhalten.
Der obere Teil in Graumalerei mit Gelb vor schwarzem Grund; in den Tieren und den Flügeln des Engels bräunliche Töne.
nach Markus Dekiert im Katalog zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg "Spätmittelalter am Oberrhein", Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 29. 9. 2001 - 3. 2. 2002, Teil 1 'Maler und Werkstätten 1450 - 1525', S. 303 f:
Titel:
Muttergottes in der Strahlenglorie
Beschreibung:
Vor tiefrotem Damastgrundmuster erscheint die Madonna als Himmelskönigin mit großem Zepter und perlenbesetzter Krone;
ihre Darstellung 'mit der Sonne umkleidet, den Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen' setzt sie mit dem in der mittelalterlichen Exegese mariologisch gedeuteten Apokalyptischen Weib gleich, von welchem Johannes in der Offenbarung berichtet (Offb 12, 1);
auf ihrem rechten Arm sitzt der Christusknabe, der mit der rechten Hand den auf seine Weltherrschaft deutenden Reichsapfel hält und mit der Linken auf das die Mutter elegant umflatternde Schriftband weist;
(Anm. des Verf.: Die Inschriften auf den Nimben und der Kugel des Kindes sind nurmehr partiell zu entziffern, der Heiligenschein Mariens lässt folgende Bitte erkennen: Bit Got fuir uns. Ora pro nobis.)
überfangen werden Mutter und Kind von einem aus geschweiftem Astwerk gebildeten Bogen, über welchem als in Grisaille ausgeführtes Oberbild - eingepasst in den spitzbogigen oberen Scheibenabschluss - die mystische Einhornjagd dargestellt ist: Von rechts stürmt der in sein Hifthorn stoßende Erzengel Gabriel mit seinen Jagdhunden heran und treibt das Fabeltier in den Schoß Mariens - eine verschlüsselte Darstellung der Verkündigung;
die Wormser Scheibe teilt mit einer Reihe weiterer, heute in Folge einer Auktion des Jahres 1897 in verschiedene Sammlungen zerstreuter Glasgemälde eine einheitliche Provenienz: Die Muttergottes in der Strahlenglorie gehörte zum Fensterschmuck der frühklassizistischen, 1783 eingeweihten Klosterkirche der Benediktinerabtei St. Blasien im Schwarzwald;
mehrere Indizien geben weiterhin zu der Vermutung Anlass, dass die Scheibe des Museums Heylshof ursprünglich aus dem Kartäuserkloster St. Johannisberg in Freiburg stammt und im späten 18. Jahrhundert - nach der Aufhebung der Kartause - nach St. Blasien kam, ohne dass über das Datum und den Weg der Übernahme genaue Aufschlüsse vorlägen;
sowohl die Herkunft der Scheibe als auch der stilistische und technische Befund sowie die außerordentliche Feinheit der glasmalerischen Umsetzung legen nahe, in ihr ein Werk der führenden Freiburger Glasmalerei-Werkstatt des Hans Gitschmann zu sehen, die 1511/1513 mit der Ausführung der Hochchorfenster des Freiburger Münsters befasst war;
wer für den Entwurf der Komposition verantwortlich zeichnet, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden; E. Balcke-Wodarg dachte unter Hinweis auf zwei motivgleiche Visierungen des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts mit der Apokalyptischen Madonna an Hans Baldung;
besonders die frühere, heute in Coburg bewahrte Zeichnung darf mit den starken Hell-Dunkel-Kontrasten und dem eckig-brüchigen Faltenwurf als der Wormser Muttergottes verwandt bezeichnet werden;
Lit.: Balcke-Wodarg, Die Glasgemälde der ehemaligen Kartause zu Freiburg i. Br. vom Beginn des 16. Jahrhunderts, 1926/27, S. 176 f.;
Hermans 1953, S. 103 f.;
Gut 1988, S. 124, 137, 140, 153, 157.