Die um 1430 entstandene Pietà, auch als Vesperbild bezeichnet, zählt zu den Meisterwerken der Ulmer Spätgotik. Die Plastik gehört zur Gruppe der Andachtsbilder, die ab dem 14. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet waren. Sie zeigt die Darstellung der Maria als "Schmerzensmutter", auf deren Schoß der Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus liegt. Mit den Vesperbildern, die meist in katholischen Kirchen zu finden sind, wird das Leiden Christi wie auch die Compassio (Mitleiden) seiner Mutter vor Augen geführt. Auf dem Schoß Mariens, die ein langes Kleid mit Mantel darüber trägt, liegt der tote Christus mit Lendenschurz und Dornenkrone. Sein Körper wirkt asketisch und ausgemergelt, deutlich zeichnen sich die Rippen ab. Das Gesicht mit dem geöffneten Mund ist von Schmerz gezeichnet. Die fünf drastisch überzeichneten Wundmale weisen auf seinen Kreuzestod hin. Marias Gesicht wirkt gefasst und ruhig, der Ausdruck lässt eine Trauer spürbar werden, die fern ist von Angst und Verzweiflung. Das Bildwerk geht auf szenische Darstellungen der Bibel zurück, wobei der Passion ein besonderer Stellenwert zukommt. Der Begriff Vesperbild leitet sich davon ab, dass bei der Karfreitagsvesper dem toten Heiland auf dem Schoß Mariens gedacht wurde.