Während Maria in ruhiger und aufrechter Haltung dargestellt ist, erscheint das Christuskind im Profil durch seine Laufschrittstellung weitaus bewegter. Seine linke Hand umfasst eine Haarsträhne seiner Mutter, deren weich gelocktes, offenes Haar sanft Marias Gesicht umspielt. Zu späterer Zeit erhielt die Figur eine barocke Goldfassung. Nach deren Abnahme kam der ursprüngliche braune Farbton des Lindenholzes wieder zum Vorschein. Nur Augen, Lippen und Wangen von Maria und dem Kind weisen Farbakzente auf, die den warmen Naturholzton diskret beleben. Marias milde gestimmter, versonnener Ausdruck lässt die Liebe zu ihrem Kind erkennen. Die Betonung der innigen Beziehung zwischen Mutter und Kind gehört zu den Charakteristika eines Urtypus der Mariendarstellungen aus der byzantinischen Kunst, der "Eleusa" (Die Barmherzige) genannt wird. Die Renaissance-Merkmale zeigen sich in der geometrischen, ein gleichschenkliges Dreieck beschreibenden Komposition, in dem organisch durchgebildeten und überzeugend proportionierten Körper sowie der ruhigen Haltung Marias und der sich an ihren Körper anschmiegenden Fältelung des Kleides. Vergleicht man unsere Mariendarstellung mit den in Italien seit dem 15. Jahrhundert entstandenen Madonnenreliefs wird die geistige und stilistische Wurzel deutlich. Der religiöse Gehalt tritt hier zurück, um das zeitlos Irdisch-Schöne von Mutter und Kind vor Augen zu stellen.
Dauerleihgabe des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben.