Die Bronze wurde während Lehmbrucks Aufenthalt in Paris zwischen 1910 und 1914 gegossen und besitzt aus diesem Grund gegenüber den posthumen Güssen einen besonderen Wert. Sie weist eine feine Modulationen der plastischen Formen auf und hat eine goldbraune, schimmernde Patina. "Die kleine Sinnende" lässt noch den Einfluss des Franzosen Aristide Maillol erkennen. Anders als dessen Figuren schließt sie sich jedoch durch ihre Ponderation und Haltung in ihren eigenen Körperraum ein, sodass sie ganz in sich versunken wirkt. Sie verbindet die Innerlichkeit der Mariengestalten aus den christlichen Verkündigungsgruppen mit dem Ideal arkadischer Weiblichkeit.
Wenig später vollzog Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) einen radikalen Schritt zu der von Zeitgenossen als "gotisch" bezeichneten Ausdruckssteigerung der Naturform. Die "Große Sinnende" und die Fragmentierungen der Figur, die er als eigenständige Werke herstellen ließ, verdichteten sein Grundthema. Die vom Geist berührte Leiblichkeit der weiblichen Figur bewahrt die Möglichkeit ungebrochenen Seins.
Signatur: LEHMBRUCK (unterhalb des rechten Fußes)