Trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes, insbesondere des fehlenden Christuskörper, ist das Andachtsbild von eindrücklicher Wirkung. Die sitzende Marienfigur umfängt mit beiden Händen den nur als Torso erhaltenen Körper ihres Sohnes. Ein Kopftuch verschattet ihr Gesicht. Mit der rechten Hand stützt Maria den Oberkörper des Toten in Schulterhöhe, die linke liegt über dem Lendentuch des Gekreuzigten statt über den Beinen, wie man es an anderen Pietàdarstellungen beobachten kann. Trotz der starken Beschädigungen verdeutlicht die Skulptur die tiefe Trauer von Maria um ihren toten Sohn Jesus Christus.
Als Sinnbild des Mutterschmerzes diente das Andachtsbild dem privaten Gebet und der religiösen Versenkung. Die realistisch gestalteten Gesten der Pietà (italienisch: Frömmigkeit) sprachen das Mitgefühl des Betrachters an und forderten ihn zum Mitleiden auf. Die Bezeichnung Vesperbild (lateinisch: gegen Abend) ist seit dem späten Mittelalter gebräuchlich. Sie erinnert an die Gebetszeit der Vesper, zu der an Karfreitag der Kreuzabnahme und Beweinung Christi gedacht wurde.
Das Werk gehört zu den sogenannten „Schönen Vesperbildern“, die parallel zu den „Schönen Madonnen“ entstanden sind. Die Draperie des Gewandes dieser Figuren folgt einem in der Zeit des Weichen Stils um 1400 ausgearbeiteten Schema. Woher die Zwickauer Figur stammt, ist unbekannt.