Neben dem Reichshofrat in Wien war das Reichskammergericht das höchste Gericht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Von 1527 bis 1689 hatte es seinen Sitz in der Freien Reichsstadt Speyer. Das Personal des Reichskammergerichts brachte einen Hauch von Weltoffenheit und Gelehrtheit in die Stadt. Neben den zahllosen Aktenstücken haben sich nur wenige persönliche Zeugnisse der Kammergerichtsherren erhalten. Eines davon ist dieser Steinzeugkrug, der laut Inschrift „IHOAN * WOLFFG * AVER * V.I.D.E.T. * ASSESSOR * CAMIMP * SPIRAE * 1628“ dem Johann Wolfgang Auer zuzuordnen ist, der 1628 Assessor am Reichskammergericht in Speyer ist. Zwischen 1621 und 1638 wird er mehrfach als Pate in den Taufbüchern der evangelischen Gemeinden genannt. Auer war zunächst als Advokat und später als Assessor für den sächischen Kreis am Reichskammergericht tätig. Der bauchige Krug mit Kerbschnittdekor und einer Kettenfriesauflage unterhalb des Schriftfeldes wurde bisher dem fränkischen Töpferzentrum Creußen zugeschrieben, doch ist auch eine Herkunft aus den sächsischen Steinzeugzentren Annaberg und Freiberg denkbar. Der Krug könnte ein Geschenk des sächsischen Kreises für seinen Prozessvertreter in Speyer gewesen sein oder ein Erinnerungsstück, dass Auer selbst hat anfertigen lassen. Die Abreviatur auf dem Krug (V.I.D.E.T.) war möglicherweise ein Kürzel für einen Trink- oder Segensspruch. Von der Funktion her dürfte es sich um einen Weinkrug gehandelt haben, mit dem man Fasswein portionsweise aus dem Keller an die Tafel brachte. [Ludger Tekampe]