Dieses zu einer Elb-Havel-Tracht gehörende quadratische Schultertuch besteht aus schwarzer Seide und hat eine Kantenlänge von fast 100 cm. An zwei gegenüberliegenden Seiten ist die Webkante vorhanden.
Verziert ist das Tuch mit Plattstickerei und Stielstichstickerei aus weißem, grünem, gelbem, rotem und blauem Seidengarn. Das florale Muster entwickelt sich aus zwei sich gegenüberliegenden Ecken und läuft als Blumenranke an den Kanten entlang aus. Faltet man das Tuch über die Diagonale zu einem Dreieck, so befindet sich auf der einen Seite die bunte und auf der anderen Seite die weiße Stickerei. Mit diesen zwei verschiedenen Seiten gehört es zu der Gruppe der so genannten „Freud-Leid-Tücher“, die in vielen Trachtengebieten verbreitet sind. Diese Tücher sind Ausdruck von bewusster Sparsamkeit und Pragmatismus. Das doppelt gelegte Seidentuch konnte mit der bunten Seite zu verschiedenen freudigen Anlässen oder aber mit der weiß bestickten Seite zu ernsten bzw. traurigen Anlässen an hohen kirchlichen Feiertagen, in der Trauerzeit usw. getragen werden.
Schwarzseidene bestickte Schultertücher waren im Jerichower Land und auch in der Altmark verbreitet. Sie gehörten zur ländlichen Festtagstracht der Frauen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurden noch etwa bis in die 1860er Jahre getragen.
Unser Tuch wurde zusammen mit einem roten Rock mit bunten Streifen aus Beiderwand, einer Weste aus schwarzer Ripsseide, einem Leinenhemdchen, einer weißen Tüllschürze und einer blau-weiß bestickten Haube erworben. Diese nahezu vollständige Festtagskleidung einer jungen Frau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts kann der Überlieferung nach Anna Sophie Lindstaedt (1839 – 1897), Tochter des Ackermanns Johann Schäfer und 1862 verheiratet mit dem Ackermann August Lindstaedt, in Schönhausen zugewiesen werden.
Es wurde von der Enkelin der Trägerin dem Museum vermacht.