Unter Graf Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt (1641-1710) wurde der Rudolstädter Hof zunehmend von pietistischen Glaubens- und Lebensvorstellungen geprägt. Seine Gemahlin Gräfin Aemilie Juliane (1637-1706) schrieb nicht nur eine große Anzahl von Texten für Kirchenlieder und Gebete, sondern erteilte wohl auch selbst den Auftrag für eine Reihe bildkünstlerischer Arbeiten, in denen die subjektiv empfundene Heilsgeschichte malerisch und zeichnerisch umgesetzt wurde. Zu diesen Werken gehört das von dem Hofmaler Seivert Lammers geschaffene Tafelbild "Aemilie Juliane als Jesusbraut". Eine direkte literarische Vorlage für dieses Thema bot sich mit dem Gedichtband "Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder der in ihrem Jesum verliebten Psyche", den Angelus Silesius (1624-1677) im Jahre 1657 herausgab. Im Bildvordergrund stehen, gleich einem Liebespaar, Aemilie Juliane und Jesus Christus in einer Landschaft, die sich in die Tiefe staffelt. Sie halten sich umschlungen und sind miteinander durch eine Kette verbunden. Von einer goldenen Krone überfangen, überreichen sie sich gegenseitig ein Briefchen, auf dem die jeweilige Adresse in Form eines Monogramms steht. Die sie verbindende Kette verläuft herzförmig zum Himmel und wird dort von zwei Händen gehalten. An ihr sind Medaillons befestigt, die Darstellungen aus dem Leben Christi zeigen. Ein reicher Kranz aus roten Rosen und weißen Passionsblumen rahmt die gesamte Darstellung. Die eingeflochtenen Schriftbänder beziehen sich auf die Leidensgeschichte Christi. In der Mittelachse des Bildes sind auf den Bändern die Worte (von oben nach unten) "Jesus ist Dir - Dir ist Jesus", "Ich bin Dein und Du bist mein ...", "Victoria nostra" sowie "Jesus ist Mir - Mir ist Jesus" zu lesen. Inhaltlich nehmen sie Bezug auf die im Pietismus lebendigen Vorstellungen von Jesusminne und Brautmystik. Das Gemälde gehörte zur Ausstattung einer der Betstuben auf der Heidecksburg, die Gräfin Aemilie Juliane einrichten ließ. [Lutz Unbehaun]
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