Das parallel zur Erdachse montierte Fernrohr ist mit drei Stellschrauben auf einem Gestell aus Mahagoniholz justiert. Die parallaktische Montierung des Refraktors gibt die Möglichkeit, das Rohr automatisch einem beobachteten Himmelskörper nachführen zu können. Die Feinbewegungen des Refraktors erfolgen mit Hilfe von schwenkbaren Schneckenrädern und Schlüsseln. Der Okularauszug mit Okular ist nicht mehr vorhanden. Nach der Baubeschreibung gehörten zur Ausstattung des Gerätes ein terrestrisches und zwei astronomische Okulare. Der ungewöhnlich konstruierte Refraktor stammt von dem Gothaer Hofmechaniker Johann Friedrich Schröder, der zugleich als Betreuer des Physikalischen Kabinetts auf Schloss Friedenstein tätig war. Neben dem Linsenfernrohr stellte er ein 3 V-füßiges Passageinstrument, einen 3 V-füßigen Achromat und eine Reihe kleiner astronomischer Geräte für die Seeberg- Sternwarte her. Johann Friedrich Schröder gehörte zu den geachteten Instrumentenbauern der damaligen Zeit. Seine perfekt ausgeführten technischen Geräte waren weit über die Grenzen Gothas bekannt und begehrt. Das Linsenfernrohr von Schröder fand Verwendung auf der Seeberg-Sternwarte, die im Auftrag des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha- Altenburg in den Jahren von 1787 bis 1791 von dem Gothaer Hofbaumeister Carl Christoph Besser (1726-1800) gebaut wurde. Es handelte sich um eine Dreiflügelanlage, die aus einem Meridiansaal mit einem aufgesetzten Beobachtungsturm nebst Drehkuppel, einem Wirtschaftsgebäude und einem Wohnhaus bestand. Das Gebäude und die technische Ausstattung des Observatoriums zählten zur besten und modernsten damals existierenden Institution dieser Art in Europa. So wurden zum Beispiel die Geräte nicht auf einem Turm montiert, wie es noch allgemein üblich war, sondern ebenerdig auf dem fundamentierten Boden verankert. Unter so bedeutenden Astronomen wie dem ersten Sternwartendirektor Franz Xaver von Zach und seinen Nachfolgern Bernhard August von Lindenau, Franz Encke und Peter Andreas Hansen wurde dieses Observatorium ein europäisches Zentrum der astronomischen Forschung. Schon im Jahre 1798 versammelten sich hier Astronomen und Gelehrte aus verschiedenen deutschen Kleinstaaten und dem Ausland zum ersten Internationalen Kongress, um den bestehenden Entwicklungsstand der Astronomie zu bewerten. Der auf Initiative von Zach einberufene astronomische Kongress war der erste seiner Art und sollte der Vorläufer für weitere Unternehmungen in diesem Bereich werden. [Jekaterina Vogel]
weitere Literatur: Manfred Strumpf, Thomas Marold: Sachzeugen der »astronomischen Epoche« Gothas. Zum 200. Jahrestag der Errichtung der Sternwarte auf dem Seeberg, in: Gothaer Museumsheft 1988, S. 17-15