Die beiden Halbfiguren in prächtiger, edler Kleidung erheben sich über einer Steinbrüstung. Liebevoll umfasst der junge Mann die Frau. Zum Zeichen ihrer Liebe trägt der Mann einen Kranz wilder Rosen auf seinem Haar und die Frau eine Heckenrose in ihrer Linken. Der Geliebte greift behutsam nach dem kostbaren Schnürlein in der Mitte des Bildes, einem Treuesymbol, von dem im Zwiegespräch der beiden Spruchbänder über den Figuren die Rede ist. Gleichzeitig erfährt der Leser, dass die Frau unrechtmäßig, d. h. in illegitimer Ehe und nicht ihrer sozialen Stellung angemessen, mit dem Mann zusammenlebt. Anhand des Wappens konnte die historische Identität der Porträtierten aufgeklärt werden. Es handelt sich um Graf Philipp d. J. von Hanau-Münzenberg (1449-1500) mit seiner Geliebten, der Bürgerlichen Margarethe Weißkircher aus Hanau, mit der sich der Adelige nach dem Tode seiner Gattin verband.Vor dem Hintergrund dieser Liebesgeschichte stellt sich die Tafel als einzigartiges geschichtliches Bilddokument eines spätmittelalterlichen Konkubinats dar und entspricht dabei dem Bildtypus des Ungleichen Paares. In der Rückbesinnung auf höfisch-ritterliche Minnetraditionen wird dieses ungleiche Paar zum Vorbild wahrer und zeitloser Liebe stilisiert. Gemalt vom Meister des Amsterdamer Kabinetts, dem Schöpfer der Kaltnadelstiche im Rijksprentenkabinet Amsterdam und Zeichner der Planetenbilder im »mittelalterlichen Hausbuch«, ist das Gothaer Liebespaar das einzig erhaltene Tafelbild des originellsten - aber noch immer rätselhaften - Künstlers der Vor-Dürerzeit. Gleichzeitig ist es auch unter den wenigen frühen Doppelporträts singulär. Es gehört zu den herausragenden Leistungen der spätmittelalterlichen Malerei und wird treffend als »das klassische Liebespaar der altdeutschen Kunst« (Buchner 1953) charakterisiert. In der Gemäldegalerie auf dem Friedenstein seit 1854 nachweisbar, ist es das Glanzstück der Gothaer Kunstsammlungen. [Allmuth Schuttwolf]