Würzburg 25. Juli. 1895.
Liebe Ernestine!
Jeden Tag hoffte ich einige
Augenblicke zu erhaschen
um ein paar Worte
an Dich zu schreiben. Es
war bis jetzt unmöglich
den̄ es geht vorläufig bei
uns Alles darunter und
darüber.
Hedwig ist seit vorgestern
bei uns eingetreten;
sie macht einen guten
Eindruck und ich fange
an zu hoffen, daß es end-
lich wieder einmal ge-
lingen kön̄te, sich ein ord-
entliches Mädchen heran
zu ziehen. Ich glaube sie
nählt gut, im übrigen
aber hat sie noch sehr viel
zu lernen. Doch das macht
mir nichts, wen̄ sie nur
sonst ordentlich ist. Nim̄
meinen besten Dank für
die Mühe die ich dir ge-
macht habe.
Liebe Ernestine empfange
Du und Dein lieber Man̄
unser Beider herzlichsten
Glückwunsche zu der neuen
Würde; möge Sie Deinem
Man̄ nicht all zu viel
Arbeit bringen.
Halte Du Dich tapfer, da
mit auch Du Deinem Gatten
würdig zur Seite stehst,
den̄ wie ich vermuthe,
wird man auch in Mün-
chen in geselliger Bezeihung
große Ansprück an den
Rektor stellen. Möge Euch
das Jahr viel Angenehmes
u. wenig Last bringen.
Bitte sage Lotte besten Dank
für ihren letzten Brief, leider
kan̄ ich ihn nun nicht mehr
beantworten, den̄ ich habe
noch so viel zu thun, bevor
wird flott werden, was
hoffentlich bis Dienstag sein
wird. Mein Man̄ wird heute
sein Colleg schließen, sonst fürchte
ich wird er geschloßen.
Bertha habe ich am Dienstag
bis Darmstadt gebracht und
sie auf den Blitzzug gesetzt,
nun sitzt sie bei ihren Lieben
zu Hause, bis wir die hollen.
Also Berlin ist aufgegeben!
Hoffentlich wird Dir aber*
doch die Freude die Enkel
wieder zu sehen.
Wir wünschen Euch einen
recht angenehmen Som-
meraufenthalt und hoffen
einmal etwas von Euch
zu hören.
Mit den herzlichsten Grü-
ßen von Haus zu Haus
verbleibe ich
Deine getreue
B. Röntgen