Die leider nicht ganz vollständig erhaltene Schale zeigt auf der Außenseite eine ungewöhnliche Szene: Jünglinge führen ihre Pferde zur Musterung vor. Auf der einen Seite ist unmittelbar neben dem Schalenhenkel ein bärtiger Schreiber erkennbar, der in freier Landschaft – über ihm erhebt sich ein Baum – mit einer Schreibtafel auf dem Schoß auf einer Bodenerhöhung sitzt. Bei der Auffindung konnte man auch noch das Ende des Griffels in seiner rechten Hand sehen. Neben ihm steht ein mit Schuhen und langem Mantel bekleideter Mann. Auch wenn sein Oberkörper nicht erhalten ist, lässt sich erkennen, dass er in der Rechten einen langen Stock hält, wie dies einen athenischen Bürger auszeichnet. Er dürfte einen Beamten der Stadt Athen darstellen. Diesen beiden Amtsträgern nähert sich ein Jüngling mit seinem Pferd. Er trägt die typische Kleidung der Epheben, der jungen Männer, die ihren Militärdienst ableisten: den Umhang (Chlamys), den Reisehut (Petasos) und zwei Speere. Hinter ihm geht ein weiterer Ephebe mit langem Mantel und einem Stab in der Rechten.
Auf der anderen Seite der Schale folgen zwei weitere Jünglinge mit ihren Pferden. Der erste, der zusätzlich hohe Reiterstiefel trägt, führt sein Pferd am rot angegebenen Leitriemen. Der nächste Jüngling fasst sein Pferd am Maul und zieht es hinter sich her. Der Bärtige in Mantel und Schuhen im Hintergrund wird wie sein Pendant als Amtsträger aufzufassen sein.
Offenbar ist hier eine Pferdemusterung dargestellt. Die jungen Männer aus athenischen Bürgerfamilien mussten im Alter von etwa 18 Jahren ihren zweijährigen Militärdienst ableisten. Zum Dienst der Epheben gehörte auch die Sicherung der Grenzen in den attischen Festungen. Die Söhne aus reichen und vornehmen Familien dienten als Reiter und mussten dazu Pferde und Ausrüstung auf eigene Kosten stellen. Ob die Tiere für diesen Zweck geeignet waren, wurde bei einer solchen Musterung überprüft und vom Schreiber aufgezeichnet.
Von Göttern und Menschen - Bilder auf griechischen Vasen (2010) Nr. 40 (A. Schwarzmaier).