Nikolaus Franz Niembsch (1802–1850), seit 1821 Edler von Strehlenau, führte ab 1830 das Pseudonym Nikolaus Lenau. Er studierte Philosophie und Medizin sowie Jura und Landwirtschaft in Wien, Preßburg (Bratislava) und Wieselburg-Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár, Ungarn), machte jedoch keinen Abschluss; sein eigentliches Interesse galt der Literatur. Durch eine Erbschaft finanziell unabhängig reiste Lenau nach Süddeutschland und wurde 1831 in Stuttgart mit Gustav Schwab , Justinus Kerner und dem weiteren schwäbischen Dichterkreis bekannt. 1832 brach Lenau enthusiastisch zu einer Reise nach Nordamerika auf, kehrte jedoch bereits im Folgejahr enttäuscht zurück und lebte fortan zwischen Stuttgart und Wien. Er verfasste das episch-dramatische Gedicht »Faust« (1836) und das Versepos »Die Albigenser« (1842); 1844 begann er mit der Niederschrift des erst postum publizierten »Don Juan«. Seine stimmungshafte Naturlyrik ist von Weltschmerz und Melancholie geprägt; Werke wie die »Polenlieder« treten für politische und religiöse Freiheit ein. Lenau verlobte sich im August 1844 in Frankfurt a. M. mit Marie Behrends und reiste nach Wien, um Formalitäten für die Hochzeit zu erledigen, erlitt auf dem Rückweg jedoch einen Schlaganfall und verfiel einer Geisteskrankheit. Seine letzten Jahre verbrachte Lenau in den Heilanstalten Winnenthal bei Stuttgart und Oberdöbling bei Wien. Der Brief von Emilie Reinbeck an Justinus Kerner vom 30. November 1833 (Kerner 1897, S. 57f.; vgl. IV-00974) dokumentiert, dass Rahl bei seinem Besuch in Stuttgart (vgl. IV-00968) mit der Arbeit an der Erstfassung des Lenau-Porträts begann. Es entstand als Freundschaftsbild für Kerner, der Lenau schon in Wien gedrängt hatte, den jungen Maler Rahl kennenzulernen (vgl. Anton X. Schurz, Lenaus Leben, Bd. 1, Stuttgart /Augsburg 1855, S. 242). Im Gegensatz zu den anderen Bildern seiner Porträtgalerie deutet Rahl einen Landschaftshintergrund an und inszeniert Lenau vor einem dunklen Gewitterhimmel als romantische Inkarnation des schwermütigen, getriebenen Poeten: »Um meine wunde Brust geschlagen / Den Mantel der Melancholei /
Flog ich, vom Lebenssturm getragen […]« (Lenau, »Mein Stern«, 1822). Rahls eigenhändige Replik im FDH kann etwa zur gleichen Zeit entstanden sein wie das Original und die Kopie von Emilie Reinbeck (1835; s. o.) oder aber in Lenaus Auftrag vor seiner Verlobung mit Marie Behrends im Jahr 1844, der er das Bild zu diesem Anlass schenkte. Marie Behrends, die unverheiratet blieb, vermachte das Porträt ihrer Dienerin. Diese hinterließ es wiederum dem FDH zusammen mit dem Brautschmuck (verschollen) und einer Fotografie (FDH, III-07392) von Marie Behrends (vgl. Heuer 1906). (Quelle: Maisak/Kölsch: Gemäldekatalog (2011), S. 210-211)
Das Gemälde zeigt Nikolaus Lenau als Bruststück. Sein Kopf und sein Blick sind nach links gerichtet. Nikolaus Lenau ist als schlanker, junger Mann mit Schnurr- und Backenbart dargestellt. Sein dunkles, kurzes Haar ist in die Stirn gekämmt. Nachdenklich geht sein Blick in die Ferne. Der Hintergrund ist als weite Landschaft angegeben.