Dieses Wassergefäß (Kalpis) verfügt über zwei seitlich unterhalb der Schulter angebrachte Tragehenkel sowie einen weiteren Henkel auf der Rückseite des Halses, der das Ausgießen ermöglicht.
Die Gefäßlippe ist mit einem Eierstabdekor versehen, den Hals verziert ein umlaufender Blattkranz.
Das Bauchbild auf der Vorderseite zeigt die Verfolgung des schönen Jünglings Tithonos durch Eos, die Göttin der Morgenröte. Tithonos eilt, in einen langen Mantel gehüllt, nach links, um sich dem Werben der Eos zu entziehen. Die geflügelte Göttin verfolgt ihn und drückt ihr sichtliches Verlangen durch ihre ausgestreckte Hand aus. Als untere Begrenzung der Szene dient ein Mäanderband, das durch einzelne Platten mit Kreuzen aufgelockert wird.
Dem Mythos zufolge verliebt sich Eos in den attraktiven jungen Mann, einen Bruder des trojanischen Königs Priamos. Der Prinz verweigert sich zunächst der Göttin, so dass diese ihn entführt. Alsbald aber werden sie ein Paar. Da Tithonos ein Sterblicher ist, erfleht Eos für ihn von Zeus ewiges Leben. Der Göttervater erfüllt diesen Wunsch, Eos vergisst jedoch tragischerweise, auch um ewige Jugend für Tithonos zu bitten. Dieser schrumpft daraufhin mit fortschreitendem Alter, bis er letztendlich die Gestalt einer Zikade annimmt.
Der Mythos von Eos und Tithonos versinnbildlicht den verzweifelten Wunsch des Menschen nach Unsterblichkeit und ewiger Jugend, führt aber auch die unentrinnbare Vergänglichkeit vor Augen. Somit verwundert es nicht, dass Darstellungen dieses Mythos im Grabkontext zu finden sind. Auch das vorliegende Gefäß war mit Sicherheit als Grabbeigabe vorgesehen, was schon allein aus dem Miniaturformat geschlossen werden kann.