Gustav Spangenberg, der lange zusammen mit Rudolf Henneberg in Paris bei Thomas Couture studiert hatte, wurde wie dieser zu einem Vertreter der historisierenden Salonromantik in Berlin. Von beiden Künstlern besitzt die Nationalgalerie eindrucksvolle, breitformatige, große Bilder mit vorbeiziehenden Gruppen (vgl. Rudolf Henneberg, »Der wilde Jäger«, Inv.-Nr. A I 233, und »Die Jagd nach dem Glück«, Inv.-Nr. A I 40). Richard Hamann hat auf die Begeisterung für Festzüge und Triumphzüge in den 1870er Jahren hingewiesen, vgl. auch Franz von Defreggers »Heimkehrender Tiroler Landsturm« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 244), das wie unser Bild 1876 entstanden ist. »Und selbst der Zug des Todes, von Spangenberg (1828–1891) gemalt, wird zu einem festlichen Zuge, der mehr die Schaubegierde teilt als jenes Memento mori zuruft, das Rethels Totentanz so eindringlich machte« (R. Hamann, Die deutsche Malerei im 19. Jahrhundert, Berlin 1914, S. 178). Spangenberg fand für sein Thema das eindringliche Motiv eines endlos langen Zuges auf flachem Land unter einem grauen Himmel, von einem ebenso langen Vogelzug begleitet. Die Figur des Todes mit einer Glocke in der Hand tänzelt hinter einigen geschmückten Kindern vor der Menge her, Menschen aller Schichten und Altersgruppen folgen ihm. Ein Ritter reißt sich von seiner Liebsten los, um mitzugehen, eine Alte hat nicht die Kraft, sich zu erheben, sie fleht darum, mitgenommen zu werden. Spangenberg hatte 1860 einen »Rattenfänger zu Hameln« gemalt (Verbleib unbekannt), und vielleicht damals schon dieses Motiv entwickelt. Im Familienbesitz befindet sich ein Bild mit einem Prozessionszug bei Abendlicht, das aber nicht die Symbolkraft des vorliegenden Bildes erreicht. | Angelika Wesenberg