"... ich kann nur malen, was ich liebe." ist wohl eines der bekannteren Zitate Otto Muellers. Demgemäß wählte er Frauen sehr häufig zum Motiv, denn von diesen liebte er einige. Seine große und wichtigste Liebe aber war Maria Mayerhofer, genannt Maschka, die der Künstler 1905 heiratete. Sie war seine Muse, sie stand ihm Modell und sie war, selbst nach der Scheidung im Jahre 1921 und zwei weiteren Ehefrauen, seine engste Vertraute und dirigierte von Berlin aus die erfolgreiche Vermarktung des Künstlers im deutschen Kunstbetrieb. Die vorliegende Kreidelithographie entstand 1912 und zeigt die offenbar unbekleidete Maschka, in frontaler Ansicht, sich dem direkten Augenkontakt zum Betrachter entziehend. Mueller stellt hier seine Ehefrau als scharfsinnige, melancholische und moderne Frau dar, indem er sie mit weitgeöffnetem Blick, tiefen Denkfalten auf der Stirn und zeitgemäßer Bob-Frisur porträtiert. Mit wenigen und sehr markant gesetzten Linien gelingt Mueller hier eine komplexe Charakterisierung seiner damaligen Frau. Dabei sind die künstlerischen Einflüsse Wilhelm Lehmbrucks vor allem in der klar-reduzierten Formensprache und in der vertikalen Dehnung des Körpers deutlich auszumachen. Auf das expressionistische Umfeld verweist die starke Betonung der Kontur. Trotzdem ist der Stil Muellers ein ganz eigener: Der Emotionalität des Expressionismus setzt er eine reine Formensprache entgegen, die weniger gestisch als kontrolliert erscheint. Auch dieses Bild ist 1937 während der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt worden, gelangte dann jedoch in den Besitz des Kunsthändlers B. A. Böhmer und konnte 1957 an die Kunstsammlung Jena zurückgegeben werden.
Provenienz: Jenaer Kunstverein, Sammlung moderner Kunst, Nr. 281. 1937 beschlagnahmt (Entartete Kunst, 13929), Kunsthändler B. A. Böhmer, Güstrow, 1957 Rückgabe an das Stadtmuseum Jena über das Kulturhistorische Museum Rostock aus dem Nachlaß Böhmer. Œuvreverzeicnis: Karsch 23