Schloß Weißenstein in Pommersfelden ist heute noch im Besitz der Familie Schönborn-Wiesentheid. Menzel hat es offenbar nur einmal besucht - auf dem Rückweg von einer langen Sommerreise, die ihn unter anderem bis Interlaken geführt hatte. In Pommersfelden machte er kurz Station, möglicherweise auf einem Ausflug von Bamberg aus.
Der zwischen 1711 und 1718 in unglaublich kurzer Zeit errichtete Bau beruht wesentlich auf den Plänen von Johann Dientzenhofer, (unter Mitarbeit von Maximilian von Welsch und Johann Lukas von Hildebrandt). Das Treppenhaus wurde durch seine Struktur, Ausstattung und Ausmalung zu einem Markstein der deutschen Barockarchitektur. Nach 170 Jahren war eine Restaurierung nötig geworden, bei der die originale - heute wiederhergestellte - Raumfassung von Johann Rudolf Byss übermalt wurde. Diese Arbeit war im Gange, als Menzel das Schloss bertrat. Seine Komposition - eine Meisterzeichnung der Technik wie dem Format nach - verbirgt nichts von dem imponierenden Eindruck, den das Treppenhaus trotz der von Seilen und Brettern halbverstellten Achse macht; zudem sind entlang des rechten Treppenlaufs die Vasen und Puttengruppen in schützendes Stroh und Tücher gehüllt. Von diesen ging wohl die stärkste Überraschung aus; einer weitere Skizze hält die "Vasen während der Restauration maskirt" fest. (SZ Menzel N 46) Die Verspieltheit des architektonischen Schmuckswird durch den Kontrast mit der Zufallsform unterstrichen. Wenn Menzel Dinge zur Erinnerung zeichnet, beschränkt er sich auf einen für ihn wesentlichen Ausschnitt oder auf ein charakteristisches Detail, das selten im üblichen Sinne repräsentativ ist.
Aus heutiger Sicht können Zeichnungen wie die vom Weißensteiner Treppenahus surreal erscheinen; dabei hält sich Menzel an das Vorgefundene, das nur durch Blickwinkel und Begrenzung verfremdet wird.
Text: Andreas Heese, in: Ausstellungskatalog: Das Labyrinth der Wirklichkeit, hg. von Claude Keisch und Marie Ursula Riemann-Reyher, Nationalgalerie Berlin, 1996/97, S. 331ff., Kat. 191 (mit weiterer Literatur)