Extra-Beilage
zu Nr. 208 des Pfälzischen Kurier.
Telegramme.
Ende des napoleonischen Kaiserreiches.
* Paris, 4. Sept., Nachmittags. Gesetzgebender Kör-
per: Mittagssitzung. Der Ministerpräsident Graf Palikao
bringt einen Gesetzesentwurf ein, wornach ein Conseil für die
Regierung uns Landesvertheidigung eingesetzt werden soll,
der vom Gesetzgebenden Körper zu wählen sein würde; die Mini-
ster werden unter Gegenzeichnung dieses Conseils ernannt; Palikao
erhält die Stellung eines Generalstatthalters. Jules
Favre fordert, daß ein von der Linken eingebrachterAntrag vorher
in Erwägung gebracht werde. Thiers bringt einen Antrag ein,
der von 45 Mitgliedern des rechten und des linken Centrums unter-
zeichnet und gemeinsam redigirt ist. In diesem Anträge heißt es:
Unter den gegenwärtigen Umständen ernennen die Kammern Commis-
sionen für die Regierung und Landesvertheidigung; die consti-
tuirenden Kammern werden einberufen, sobald die Um-
stände dies gestatten. Palikao ist damit einverstanden, daß auch
das Land befragt werden soll, sobald die gegenwärtige schlimme Lage überwunden sei. Die Kammer erklärt sämmtliche Anträge für
dringlich ; dieselben gehen sofort zusammen an die Bureaux, von wel-
chen die Commission ernannt wird. Hierauf wird die Sitzung suspendirt.
* Paris, 4. Sept., Abends. Gesetzgebender Körper:
Abendsitzung. Die Zuhörerräume und alsbald auch
der Sitzungssaal werden von Volksmassen erfüllt,
welche die Absetzung der Dynastie und die Proclamirung
der Republik fordern. Die meisten Deputirten ver-
lassen den Saal. Gambetta und Andere fordern das Volk
auf, die Freiheit der Berathung zu respectiren und stillschweigend zu-
zuhören. Ihre Versuche bleiben erfolglos. Die Auf-
regung ist unbeschreiblich. Von draußen hört man den
Ruf: Es lebe die Republik! Gambetta und andere Mit-
glieder der Linken wollen sich nach dem Stadthaus begeben, um die provisorische Regierung zu proclamiren.
* Brüssel, 5. Sept. Pariser Nachrichten melden: Gestern
Abend um 9 Uhr war der Platz vor dem Stadthaus von unermeß-
lichen Menschenmassen erfüllt. Von allen Seiten erscholl der Ruf:
Es lebe Nie Republik! - Man will wissen, daß sich eine pro-
visorische Regierung constituirt.
* Paris, 4. Sept., Abends. Die provisorische Regie-
rung ist gebildet; sie besieht aus den Herren: Julius Favre,
Julius Simon, Ernst Picard, Eugen Pelletan, Cremieux,
Julius Ferry, Glais-Bizoin, Heinrich Rochefort,
Arago und Garnier-Pages. Die Regierungsdepartements und
Ministerien sind folgendermaßen bestellt: Keratry Polizeipräfect;
Stephan Arago Maire von Paris; Ga m betta Inneres; Favre
Aeußeres; Magnin Finanzen; Sim on Unterricht; Cremieux
Justiz; Leflo Krieg; Grevy Staatsrathsprästdent; Lavertuchon
Generalsecretär der provisorischen Regierung; Trochu bleibt General-
gouverneur von Paris. - Die Thüren des Gesetzgebenden
Körpers sind unter Siegel gelegt.
Frankfurt, 8. Sept., 12 Uhr Mittags. Panique auf Paris. Creditactien 238. Staatsbahn 328 Lombarden 178. Amerikaner 92 1/4. Silberrente 52.
1860r Loose 72.
Verantwortliche Redaction: Ph. Gebhard Stay.
Baur'sche Buchdruckerei in Ludwigshafen am Rhein.