Der in Lütgendortmund geborene Jorzig absolvierte sein Studium zum Zeichner, Grafiker und Maler an der Kunstgewerbeschule in Essen und der Kunstakademie in Düsseldorf – in letzterer Stadt wurde er auch ansässig. In den 1930er-Jahren gehörte er zu den erfolgreichen Landschafts- und Porträtmalern seiner Zeit. Großformatige Industriebilder von ihm waren auch in den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ 1938 und 1940 im Münchner Haus der Deutschen Kunst zu sehen und fanden dort unter anderem in Hermann Göring und Adolf Hitler interessierte Käufer. Das vor 1933 entstandene Werk „Vorstadtstraße“ dagegen weist eine andere Bildmotivik auf. Einen Gehstock in der Hand läuft eine schemenhaft gemalte Figur am linken Straßenrand entlang und führt die Betrachter:innen direkt in die Darstellung. Hinter einer schulterhohen Mauer ist unbebautes Land zu sehen, doch künden Laternen und Stromleitungsmasten an der nach unterschiedlichen Wohn- und Behausungskonzepten bebauten Straße bereits von urbanem Komfort. Der Pinselduktus ist grob, unruhig und konturenhaft. Komplementärfarben variieren in abgemischten Graunuancen und verleihen der Szenerie eine eigentümliche Tristesse. Von Vorstadtidyll keine Spur. Alles scheint zur Stadt hinzustreben, die namenlos und abwesend bleibt. Das Bild wurde 1933 vom preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung erworben, bevor es 1939 als Werk der „Verfalls- und Judenkunst“ (SMB-ZA, I/NG 949, Bl. 258–261) der Nationalgalerie zur Verwahrung übergeben wurde. Vermutlich entsprach es nicht mehr dem Anspruch der nationalsozialistischen Kunstpolitik an heroische Vaterlandsdarstellungen. | Janet Röder