Auf einer längsrechteckigen Plinthe hat Bugatti spannungsvoll zwei Geier arrangiert. Dabei erzeugte der Bildhauer eine dynamische Variation durch den Wechsel des Liege- und Stehmotivs der Tiere, die markanten über Eck weisenden Diagonalen der Köpfe sowie die bewegt die Grundplatte überragenden Schwingen und Schnäbel der Greifvögel. Der Künstler baute die Tiere in unterschiedlich großen, regelmäßig geschichteten Plastilinstücken auf. Durch flachgedrückte Plastilinkügelchen am Hals erzeugte er den Eindruck von aufgeplusterten Halsfedern, durch Plastilinbänder die Textur regelmäßiger Federlagen, die einem pastosen Farbauftrag, malerischen Schraffurtechniken und dem pointillisitischen Pinselduktus der impressionistischen Maler jener Zeit gleichkommen. Die Fingerabdrücke des Künstlers überziehen das Werk und lassen dadurch nicht nur den künstlerischen Entstehungsprozess zu einem wesentlichen Bestandteil des visuellen Eindrucks werden, sie vermitteln auch die unmittelbare Übersetzungsleistung eines einmaligen Augenblicks. Obwohl nur wenige der über 300 Skulpturen Bugattis den Hinweis „pièce unique“ tragen, erscheinen sie durch die Arbeitstechnik – trotz gusstechnischer Vervielfältigung – wie Unikate. Bei der vorliegenden Plastik handelt es sich um das zweite Exemplar einer Auflage von sechs. | Yvette Deseyve