Lange kämpfte Dorothea Milde gegen die ihrer Wesensart entsprechende Schwere im Ausdruck ihrer Arbeiten an. Als sie gelernt hatte, diese als ihre Eigenart anzuerkennen, brach mit einem Studienaufenthalt in Weimar im Frühjahr 1914 die wohl glücklichste Zeit ihres Lebens an, in der sie sich von ihrer Last befreit fühlte: "Ich überwand [die Schwere] erst, als freundliche Zeiten für mich kamen und hab in meiner glücklichsten Zeit 1914 in Weimar die Studie zu meiner Edeltanne gearbeitet – vielleicht dem frohesten Blatt unter denen, die ich zusammenfasse zu einem geschlossenen Gang. … die frohe, verklärte Edeltanne ..." (NLM 35)
Einer von vier Holzschnitten dieses Motivs (s. Objektgruppe).
Waldinterieurs wie auch einzelne Bäume gehörten zu den bevorzugten Motiven Dorothea Mildes. Häufig erscheinen letztere auch in größeren landschaftlichen Zusammenhängen - monumentalisiert, füllen das Bildformat der Höhe nach aus. Meist sind die Bäume weniger individualisiert, sondern vielmehr gleichnishaft aufgefasst. Eine verblüffend ähnliche Darstellung einer ebenfalls beinahe wahrzeichenhaften Fichte, die auch dort "Tanne" genannt wird, liegt im druckgrafischen Werk des in Wernigerode ansässigen Malers und Grafikers Otto Illies vor.
Dorothea Milde erzielte mit einfachen grafischen Mitteln - ihre bevorzugten Zeichengeräte waren der Bleistift und die Tuschfeder - reichste atmosphärische Effekte und schuf bildmäßig dichteste Kompositionen. Die Farbe spielte in ihrem Schaffen eine untergeordnete Rolle. Sofern sie wie in der vorliegenden Grafik mit Farbe arbeitete, so setzte sie sie nicht naturalistisch ein, sondern dekorativ.
Handschriftliche Bezeichnung: "Die Edeltanne" - "Dorothea Milde 1915".
Das Monogramm Dorothea Mildes links unten.