Das Gipsmodell von Gottfried Renn (1818-1900) zeigt die Büste eines Mannes mit ausladendem Vollbart und langem, gezwirbeltem Oberlippenbart. Der Schulteransatz lässt ein Kleidungsstück mit floralem Muster erahnen. Die Rückseite der Büste ist flach und unbearbeitet. Die Ausführung der Büste lässt nur die Anbringung auf einer Konsole vor einer Wand zu. Der markante Bart erinnert an Darstellungen des Schweizer Pfarrers und Reformators Heinrich Bullinger (geb. 1504 im Kanton Aargau, gest. 1575 in Zürich). Für eine solche Deutung der Büste würde sprechen, dass sich Gottfried Renn in seinen überlieferten Bildwerken, die oft zur Ausstattung von Kirchenbauten dienten, nahezu ausschließlich mit christlichen und biblischen Motiven und Figuren beschäftigte. Auch ist mindestens ein Gipsmodell für eine Statue des Reformators Johannes Calvin (Renn_0365) erhalten. Ein weiteres Gipsmodell stellt eine Konsolbüste Martin Luthers (HM_0_05611) dar. Allerdings fehlt bei der vorliegenden Büste das eigentlich obligatorische Barett, das Gelehrte im 16. Jh. trugen. Im Vergleich zum schmalen Kopf gerät der Bart nahezu grotesk überdimensioniert. Auch passt die Kleidung mit ihrem floralen Muster so gar nicht zu dem sich durch Bescheidenheit auszeichnenden Talar evangelischer Geistlicher. Wahrscheinlich handelt es sich hier eher um eine Konsolbüste mit reinem Bauschmuckcharakter. Renn orientierte sich in der Gestaltung vielleicht an der Darstellung des so genannten Wilden Männer, bärtiger und oftmals am ganzen Körper behaarter anthropomorpher Wesen, die häufig auch mit Blattwerk bedeckt bzw. bekleidet sind. [Johanna Kätzel]