Der Brahmane trägt einen Turban, puckery genannt, aus farbigem Stoff mit einem Zickzackmuster, versehen mit einem goldenen Band. Neben einem weißen Hüfttuch, dhoti, mit rotem Rand, trägt er allein einen orangen Schal (angavastra) mit exquisit bestickter palla (Schal-Ende) über einem fast durchsichtigen Hemd. An den Füßen trägt er goldene Sandalen, und der Ohrschmuck besteht aus den üblichen großen, goldenen Ringen. Seine Bedeutung wird hervorgehoben durch eine gewichtige goldene Kette. Die drei horizontal und parallel verlaufenden Striche auf seiner Stirn sind ein Shiva-tilaka, ein Zeichen, dass er sich zur shivaitischen Variante des Hinduismus bekennt. Als Attribut trägt er ein Manuskript in Devanagri-Schrift in der rechten Hand, in der linken einen Betelpriem, pan. Seine Frau trägt einen prachtvollen gewebten Seidensari aus Westindien. Diese Stoffe zählten zu den kostbarsten des Landes, und der Maler unterstreicht damit die hohe Position des Maratha-Brahmanen.
Das Volk der Marathen stammt aus Zentralindien und stieg nach seiner Einigung unter dem Fürsten Shivaji im 17. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Militärmächte auf. Zeitweise erstreckte sich ihr Einflussgebiet über weite Teile Zentral-, Süd- und Nordostindiens. Sie wurden die schärfsten Widersacher des späten Moghulreichs, und auch den Engländern traten sie als starke politische und militärische Macht gegenüber. Maratha-Brahmanen folgten der militärischen Ausdehnung der Maratha-Macht und wurden oft als die »Gehirne« der Maratha-Konföderation bezeichnet. Sie waren stark an der politischen Verwaltung eroberter Gebiete beteiligt. Das Reich von Tanjore, aus dem diese Bilder stammen, wurde von 1674-1855 einer Maratha-Dynastie regiert. (Werner Kraus)