Wolf Vostell gehört zu den prägendsten Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben Malerei und Skulpturen zählten vor allem Techniken der Dé-coll/age und Verwischung sowie Videokunst, Happenings, die Vostell 1961 als Erster in die deutsche Kunst einführte, und das Einbetonieren zu den zentralen Elementen seines Schaffens. 1962 war er neben Künstlern wie Dieter Roth und Joseph Beuys Mitbegründer der FLUXUS-Bewegung, die von der schöpferischen Idee ausgehend nach neuen Ausdrucksmitteln suchte.
Vostells Werk war häufig politisch; er thematisierte innenpolitische Themen der BRD und hat auch den Mauerfall in unzähligen Gemälden und Grafiken verarbeitet. Hierzu gehört auch der vorliegende Siebdruck, der an Vostells Dé-coll/age-Werke anknüpft. Über der Aufnahme von der Menschenansammlung am Brandenburger Tor am 9. November 1989 ist ein Stein auf leuchtend rotem, kreisförmigen Untergrund platziert. Ob die rote Farbe eine Blutlache evoziert oder nur Präsentierwirkung hat, bleibt unklar. Diese Zweideutigkeit setzt sich im Titel fort: Die von Jesus am Ölberg gesprochenen Worte aus dem Johannes-Evangelium „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ erhalten durch Vostells Austausch eines einzigen Wortes eine neue, ambivalente Bedeutung.