Heft, 26 Seiten, Oktav-Format, Fadenheftung, außen Bund mit hellblauem Buchbinderpapier abgeklebt. Geduckt bei H. Staats in Lippstadt 1828, der Ertrag "ist den Armen bestimmt".
Der Prediger der Großen Marienkirche S. L. A. Schliepstein veröffentlicht "auf Verlangen" 1828 das Gottesdienstprogramm der Taufe der jüdischen Familie L.C.C. Wittgenstein unter dem Titel "Reden bei der Taufe der israelitischen Familie Wittgenstein den 12ten November 1828 gehalten von S. L. A. Schliepstein [...] nebst einer Rede des Proselyten Wittgenstein.""
Das Vorwort berichtet von einem 5 Monate dauernden Religionsunterricht der Familie. Das Heft teilt des weiteren Lied- und Gebettexte und den Wortlaut der Reden und Konfirmationsfragen mit. Der Gottesdienstablauf orientiert sich an einer Konfirmationsfeier. So wird z.B. gerechtfertigt, dass eine Prüfung durch den Vortrag eines selbst formulierten Glaubensbekenntnis der erwachsenen Proselyten entfallen könne.
In der Rede an die Gemeinde (S. 4ff) geht es um den Wert der Religion im allgemeinen ("dieß höchste Kleinod der Menschheit", S. 4), dann aber darum, daß "in unsern Tagen, der helle Strahl göttlicher Wahrheit in die Seelen vieler Tausender, die, außer der christlichen Gesellschaft, in der tiefsten Finsterniß des Verstandes und Herzens lebten, gedrungen ist, ihren Verstand erleuchtet [...]" (S. 5) und es darum möglich werde, "Seelen für Wahrheit und Tugend zu gewinnen" (S. 6). Schliepstein rekurriert auf "das Fortschreiten der Menschheit auf der Bahn der Erkenntnis und Tugend" seit 300 Jahren, sodass entsprechende Bekehrungen nun folgerichtig seien. (S. 6f.) Die jüdische Familie wolle "Aus dem freiesten Antriebe" in die Gemeinde aufgenommen werden, "durch eigenes Nachdenken", nicht durch "irdische Vortheile und Freuden" evangelisch werden. (S.7f.)
Schliepstein fordert die Gemeinde mit einer spätaufklärerischen Predigtsprache auf: "nehmet sie denn, theuerste Freunde! mit einem Herzen voll Liebe und Freundschaft in eure Gemeinschaft auf" (S. 9).
Im Glaubensbekenntnis der Eheleute Wittgenstein geht es um das Bekenntnis zu einer Religion, die den Menschen erst zum Menschen macht ("ich glaube, daß ich, nicht gleich den Thieren bloß bestimmt bin [...]" (S. 9) "sondern, daß ich soll durch meine Vernunft und Freiheit zu einer weit höhern Vollkommenheit und Glückseligkeit mich erheben [...]" (S. 10): Entfaltet wird ein spätaufklärerisches Bekenntnis, dass in einer Weihe (S.12), bzw. einem Schwur (S. 13) mündet. Dadurch soll gewährleistet werden, dass sich "Gesinnungen und Handlungen" der Proselyten nun an der Lehre Jesu, insbesondere an einer spätaufklärerischen Tugendlehre, bei der es um Brauchbarkeit und Nützlichkeit geht, orientieren.
Die "Anrede an die neu aufzunehmenden Christen" (Nr. 6) wiederholt mahnend die Inhalte unter dem Hinweis auf die Feierlichkeit, Bedeutung und Unvergesslichkeit der Handlung des folgenden Gelübdes, vergleichbar einer Ansprache in einem Konfirmationsgottesdienst der Zeit. Seite 18/19 bietet Fragen, die als "Verpflichtungen"/"Gelübde" der Proselyten angekündigt werden. Nach der Taufhandlung des Ehepaars folgt die Aufnahme in die Gemeinde.
Die "Rede des Proselyten L.C.C.Wittgenstein" ist in ähnlichem sprachlichen Duktus verfasst ("Thräne für Dank") und wird von einem einem Gebet (mit Bekenntnis) der gesamten am Altar knienden Familie (S. 22f.) unterbrochen. Dann folgt die Taufe der drei Kinder und das Schlußwort ("mit heißen Wünschen und Segnungen", S. 25), zum Schluss mit Fragmenten von Segenssprüchen und Bibelversen angereichert ("bewahre sie, o Vater, vor dem Argen [...], daß Niemand ihnen ihre Krone raube, daß sie fest bleiben im Glauben [...]". Der abschließende Segensspruch ist nicht im Wortlaut mitgeteilt (S. 26).