Der Maskentyp des "Kleinen Gesichts" (ko-omote) wurde für die Darstellungen der anmutigen, jungen Frauengestalten in Drittspielen (Katsura Nô) geschaffen. Er spiegelt das weibliche Schönheitsideal der Heian-Zeit wider. Das ins rundliche gehende ovale Gesicht verjüngt sich zur Stirn hin und wird durch die aufgeschminkten, hoch angesetzten Augenbrauen zusätzlich gelängt. Die Augenwinkel verlaufen in einer geraden Linie, die Sehlöcher sind eckig. Die Nasenlöcher sind weich geformt, ähnlich wie der leicht geöffnete Mund, der die geschwärzten Zähne sichtbar werden läßt. Die Unterlippe ist betont vorgeschoben und endet in hochgezogenen Mundwinkeln. Es formt sich das für die Ko-omote charakteristische jugendlich-unbekümmerte Lächeln. Die Wangen sind füllig, das leichte Doppelkinn wird auffallend plastisch formuliert. Der Ausdruck lieblicher, verinnerlichter Schönheit jedoch, wie ihn die überlieferten Abbilder (utsushi) der dem Schnitzer Tatsuemon (Ende 14. Jahrhundert) zugeschriebenen Prototypen (honmen) besitzen, ist bei dieser Maske einer derberen Nuance gewichen und läßt sie in die Nähe des Maskentyps der Manbi (Tausend Koketterien) rücken. Diese Maske verkörpert die sinnlich-erotischen Aspekte der Frauengestalten im Nô und wurde erstmals zu Beginn der Tokugawa-Zeit, als die Entstehung neuer Spiele neue Maskentypen erforderte, geschaffen. Die drei feinen, seitlich verlaufenden parallelen Haarsträhnen (kegaki) geben jedoch den eindeutigen Hinweis auf den Typ der Ko-omote, da sie bei der Maske der Manbi nicht vorkommen. Im Laufe der Tokugawa-Zeit bildeten sich die repräsentativen Frauenmasken für weibliche Hauptrollen innerhalb der großen Nô-Schulen heraus. Zwei Familien, Komparu und Kita, benutzen den Typ der Ko-omote bis heute dafür. Die anderen Schulen wählten Masken vom Ko-omote-Typ für ihre weiblichen Nebenrollen (tsure). Möglicherweise handelt es sich bei unserer unsignierten Maske um eine solche tsuremen.
Nachlass Dr. Marianne Rumpf