Würzburg 10. Juli 1895
Liebe Lotte!
Nur wenige Zeilen will
ich heute an Dich richten, nur
um Deinen Brief zu beant-
worten und Dich zu beruh-
igen über unsere streng-
en Urtheile. Ich kan̄ Dich
verstehen wir machten
uns nich all'zu viel Ge-
danken über Dein Thun,
wir fanden es nur zu
selbstverständlich, daß Dir
die ewigen Neckereien
schließlich zu viel wurden.
Und als uns Dein gutes
Mutterchen am Morgen
vor unserer Abreise er-
zählte Du habest starke Kopf-
schmerzen gehabt, da that
es uns sehr leid, Dich so ge-
quält zu haben.
Sehr bedauern wir, daß
Du am Morgen noch einen
vergeblichen Versuch ge-
macht hast uns noch ein-
mal auf zu finden, wir
hätten so gerne noch ein-
mal gesehen u. gesprochen.
Daß Du Deinen Ausflug
mit Frl. Sachs wieder
hinaus geschoben hast, thut
mir aufrichtig leid, den̄
ich habe troz Deiner Abrede
das Empfinden, als bedür-
ten Deine Nerven einiger
Ruhe u. Erfrischung; ich
hofte daß Du Dir nicht all
zu viel zu muthest. Daß wir
Papale noch gesehen u. ge-
sprochen freut uns sehr und
daß Ernestine auch noch kam
fanden wir ganz rührend.
Sehr unangenehm war
mein guter Man̄ überrascht
bei seiner Rückkehr, da er
eine Einladung zu einer
Audienz und eine Einladung
zum Mittagessen beim
Prinz-Regent vorfand. Der
Mensch entgeht eben seinem
Schicksal nicht. Nun ist Alles
überstanden und war
sehr nett und Alles gieng
ohne die gefürchtete Uniform.
Würzburg hat seinen Regen-
ten begeistert gefeiert;
ich meine er muß gestern
mit einem warmen
Empfinden abgereist
sein. Aber nun liebe Lotte
darf ich nicht länger plau-
dern, es harret meiner
eine Menge Arbeit. Ge-
stern sollte mein neues
Mädchen einstehen, da
kom̄t sie mir einer bösen
Hand und mußte in den
Spital, so sitze ich nochmals
für 14 Tage ohne Hilfe.
Empfange Du u. die lieben
Deinen herzliche Grüße
u. vielen Dank für den
freundlichen Empfang.
Deine
getreue Tante Bertha