Ein junges Mädchen im schulterfreien biedermeierlichen Kleid blickt den Betrachter schüchtern an. In ihrem Arm trägt sie einen Blumenkorb, im Hintergrund ist eine Villa zu sehen. Was hat es mit diesem Gemälde auf sich?
1832 porträtierte die hannoversche Malerin Auguste von Schulte (1799-1864) so ihre Halbschwester Pauline von Schulte (1818-1891). Fast 20 Jahre Altersunterschied trennten die beiden. Auguste und Pauline waren Töchter des Staatsministers Caspar Detlev von Schulte (1771-1846) und gehörten damit zur führenden Gesellschaftsschicht der Stadt Hannover. 1840 sollte Pauline von Schulte Hofdame am königlichen Hof werden.
Auguste von Schulte dagegen war 1828 als Stiftsdame in das Kloster Lüne bei Lüneburg eingetreten, hatte eine künstlerische Ausbildung erhalten und war später Mitglied des Kunstvereins Hannover. Sie betätigte sich als Porträt- und Genremalerin und bildete sich durch Studienreisen künstlerisch weiter. Eine zeitgenössische Bewertung ihrer Fähigkeiten zeigt die damals vorherrschende Haltung, die Frauen als Kunstschaffenden generell skeptisch gegenüberstand: Auguste von Schulte sei „eine anerkannt vortreffliche Dilettantin in der Malerei, in welcher Kunst sie mit einer ihrem Geschlechte seltenen Ausdauer die gründlichsten Studien gemacht hat“.
Und das Gebäude im Hintergrund? Es ist „Bella Vista“, das 1824 vom Hofarchitekten Georg Ludwig Friedrich Laves für die Familie von Schulte errichtete Wohnhaus. Das Gebäude befand sich in der Leinemasch vor Hannover und wurde später u.a. als Restaurant und Veranstaltungsort genutzt.
[FA]