Der Standort und die genaue Topographie dieses Landschaftsgemäldes warten noch auf seine Bestimmung, es handelt sich aber sicher um eine Charakterlandschaft an den Havelseen zwischen Potsdam und Brandenburg an der Havel. Vielleicht hilft die markante Erhebung rechts im Hintergrund bei der Lokalisierung? Der Maler Ferdinand Kiesling (1810-1882) changiert auch in anderen seiner Gemälde zwischen Landschaftsvedute und charaktervoller Landschaftskomposition, gerade wegen letzterer war er ein geschätzter Künstler, der sich in Potsdam ansiedelte, wo das preußische Königshaus ihn immer wieder mit Ankäufen auszeichnete.
Das Auffälligste dieser Landschaft ist die Verbindung von jüngster Historie und Landschaft, akzentuiert noch durch eine große Sandbrache in der Bildmitte. Eine Gruppe preußischer Soldaten in Uniformen der Befreiungskriege steigt den Hang empor. Im Schutz der umgebenden Bäume und Gebüsche erkennt der Betrachter erst bei genauerem Hinsehen, wie sich hier französische Soldaten zum Empfang der Preußen vorbereitet haben und es schon zu kleineren Gefechten kommt. Die Sandbrache wird hier zu einem märkischen Kennzeichen, aus welcher der Widerstand gegen die Besatzer wächst, auch wenn sie dadurch des Schutzes vor den Feinden entbehren. Die Darstellung des eigentlichen Kampfgeschehen und gar Gefallene werden vermieden. Schlachten zwischen preußischen und französischen Truppen ereigneten sich im August 1813 bei Großbeeren und am Hagelberg, etwa 50 Kilometer südlich der hier dargestellten Havellandschaft. Im September 1813 kam es südlich von Berlin durchaus zu kleineren Begegnungen der Gegner, wie sie hier dargestellt ist. 1840 ist auch das Sterbejahr König Friedrich Wilhelm III., in dessen Regierungszeit die französische Besatzung und die anschließenden Befreiungskämpfe fallen. Dies könnte den Anlass für die Erinnerung an die eine Generation zurückliegenden Ereignisse geboten haben.
Die Malerei ist tonig und fein ausgeführt, rechts unten ist sie eigenhändig bezeichnet "F. Kiesling 1840". Der aufwendig dekorierte Rahmen ist vergoldet, auch sein Zustand ist gut. (ib)
Das Gemälde wurde 2008 im Kunsthandel von der Fielmann AG erworben (Auktionshaus Stahl, Lot. 34, Auktion am 22. 11. 2008, dort Maße 62 x 77 cm) und dem Stadtmuseum geschenkt. Es ist das erste Gemälde des Künstlers in der Sammlung des Brandenburger Stadtmuseums. Diese Schenkung war auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Künstler als Sohn eines Chausseeinspektors in der Stadt geboren wurde.
Literatur:
Vgl. Blick auf Potsdam, Ausstellungskatalog Potsdam 1990, Abb. S. 88, 89 (mit Abbildung von zwei Gemälden des Künstlers aus der Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg).