Kalender und Almanache waren bis zum 19. Jh. ein populäres Lektüremedium für breite Bevölkerungsschichten. Eine sehr lange Tradition kann der Offenbacher Hinkende Bote aufweisen, der (in unterschiedlichen Abwandlungen) auch mit "Der Hinkend- und Stolpernd- doch eilfertig fliegend- und laufende Reichs-Bott" betitelt war. Spätestens seit 1698 nachweisbar, war er einer der am weitesten verbreiteten Quartkalender in Südhessen, der auch überregional und sogar in deutschsprachigen Gemeinden in den USA rezipiert wurde. Im frühen 19. Jh. wurde der Kalender von Heinrich Gottlieb Hauch verlegt, dem Hofbuchdrucker von Isenburg-Birstein, das von 1806 bis 1815 zum Rheinbund gehörte.
Wie bei Volkskalendern üblich, enthält der Offenbacher Hinkende Bote einen Kalender nach verschiedenen Zeitrechnungen und so genannte astrologische Praktika (auf Astrologie beruhende Wettervorhersagen), Anweisungen zum Aderlass, Termine für Messen und Märkte in der Region, Anekdoten, Platz für eigene Eintragungen, historische Begebenheiten und politische Neuigkeiten.
Die Ausgabe von 1815 zeigt außerdem in zwei Holzschnitten die Schlacht von Paris am 30. März 1814 und den Einzug der Koalitionsarmee in Paris am 31. März 1814. Im April folgte darauf die Abdankung Napoleons.
Das Titelblatt des Offenbacher Kalenders bildet den namengebenden "Hinkenden Boten" ab: einen Mann mit Holzbein in Soldatenuniform. Häufig waren es invalide Soldaten, die versuchten, sich als Kolporteure von Nachrichten oder als Verkäufer von Volkskalendern ein Auskommen zu sichern. Die abgebildete Schnecke symbolisiert die Langsamkeit des Boten, die ihn jedoch gerade als eine vertrauenswürdige Quelle erscheinen ließ. Kalender mit "hinkenden Boten" im Titel waren vor allem im südwestdeutschen Raum, der Schweiz und dem Elsass verbreitet. [Johanna Kätzel]
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