Zu den bizarrsten Objekten der Kunst- und Naturkammer des Christoph Weickmann gehört ein kostbar gearbeitetes und kompliziert geknüpftes Stirnband aus über 100 einzeln gearbeiteten Meeresschneckenplättchen und einem zentralen Kopfamulett. Der Blick fällt auf die Figur mit den gefletschten Zähnen und den riesigen Augen, welche vermutlich ein dämonenhaftes Wesen darstellt. Der ursprüngliche Verwendungszweck des Schmuckstückes ist umstritten. Wahrscheinlich wurde es als Unheil abweisendes Stirnband oder als Halsschmuck getragen. Das Ulmer Schmuckstück bildet zusammen mit wenigen anderen bekannten Arbeiten eine Gruppe von erhaltenen Artefakten, die in der Zeit vor der Besetzung der Antillen durch die Spanier entstanden sind. Sie geben Auskunft über die Kunst und Kultur des dort ursprünglich lebenden Volkes der Taíno (Arawak). Es ist überliefert, dass die Taíno im Ahnen- und Fruchtbarkeitskult an Gottheiten, so genannte Zemi glaubten, die u. a. Verbindungen zur Unterwelt hielten. Einige erhaltene Darstellungen der Zemi erinnern an unsere Dämonenfigur. Ein kultischer Hintergrund des Schmuckstücks ist also wahrscheinlich. Das Schicksal der Taíno war nach der Ankunft der Spanier auf den Antillen jedoch besiegelt und zählt zu den finstersten Kapiteln der frühen Eroberungsgeschichte Amerikas. Nach nur wenigen Jahrzehnten war das Volk der Taíno durch eingeschleppte Krankheiten dezimiert, von den Konquistadoren niedergemetzelt oder in die Sklaverei verfügt worden. Um der drohenden Sklaverei zu entgehen, wählten zahlreiche Taíno den Freitod, und so wurden sie innerhalb weniger Jahrzehnte ausgerottet. Mit den Menschen ging auch die Kultur des Volkes unter.
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