August Gaul begann seine Laufbahn im Kunsthandwerk und war Meisterschüler des neubarocken Lieblingsbildhauer des Kaisers Reinhold Begas, an dessen Denkmalgestaltungen er mitarbeitete. Mitte der 1890er Jahre fand er zu seiner reifen, prägnanten und klaren Formensprache in der Teirplastik, der er sich fast ausschließlich widmete und an denen sich der führende Kunsthändler Paul Cassirer das Allein-Vertretungsrecht lebenslang sicherte. Damit wurde er schnell berühmt. Gauls Tiere treten jedoch nicht, wie noch um die Jahrhundertwende, in allegorischer Funktion auf, sondern stehen in ihren genau beobachteten Eigenarten nur für sich selbst.
Der Erpel, der von Curt Steckner 1914 für die Sammlung erworben wurde, ist eine von der Galerie Cassirer zwischen 1911 und 1915 in einer Auflage von 6 oder 7 Exemplaren gegossene Einzelfigur aus dem 1911 entstandenen „Entenbrunnen“, der noch heute in Berlin-Charlottenburg in der Hardenbergstrasse vor dem Renaissancetheater steht. An zwei Seiten des quadratischen Brunnenbeckens mit abgerundeten Ecken, in dessen Mitte von einer Innensäule mit halbrundem Aufsatz Wasser in das Becken rinnt, ist auf zwei gegenüberliegenden Seiten auf dem Brunnenrand jeweils eine Dreiergruppe von Enten postiert, die alle unterschiedlich sind. Jede für sich nimmt eine Position ein, die einen typischen Eindruck von den Bewegungen und dem Verhalten dieser Tiere wiedergibt. An der Einzelfigur des aufgerichteten Erpels mit wachsam angelegtem Kopf wird deutlich, wie prägnant Gaul Gestalt und Habitus des Tieres mit wenigen Einzelheiten in eine geklärte plastische Gesamtform umsetzt – einen kompakten, glatten Körper mit den nur auf den Flügeln angedeuteten kräftigen Deckfedern und der sich über dem Sterz nach oben ringelnden Schwanzfeder. Aus dieser plastisch in sich geschlossenen Form schwellen rhythmische Einzelformen auf, wie etwa die Wölbungen am Hals und an der Brust. Gaul gelingt es, das Naturvorbild in eine Kunstform zu übersetzen, die das Tier als eine Realität begreift, deren Würde in ihr selbst liegt. Gaul entsagt jeder mythischen oder allegorischen Überhöhung, die die Darstellung einer Ente auch kaum vertragen würde.
Signatur: A Gaul
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