Die Radierung zeigt das Antlitz des Künstlers als bis zur Unkenntlichkeit entstelltes Gesicht. Seine dunklen Augen sind verdreht und scheinen nach rechts und links zu schauen, nicht aber auf das Buch oder Skizzenheft, das er in der Mitte hält. Sein Lächeln wirkt verzerrt, wodurch das Gesicht etwas Fratzenhaftes und Dämonisches erhält. Über seinem Kopf scheint, gebildet aus vielen dunklen, unruhigen Strichen, eine düstere Wolke zu schweben. Es wirkt, als wäre ein Teil dieser Wolke in Corinths Gesichts übergegangen.
In über 40 Gemälden, rund 80 Zeichnungen und zahlreichen Radierungen beschäftigte sich der Maler mit seiner Erscheinung. Mindestens einmal jährlich fertigte Corinth ein Selbstbildnis, im Alter häufiger. Nach seinem Schlaganfall 1911 und der zeitweise halbseitigen Lähmung verliert die detailgetreue Darstellung der eigenen Person gegenüber der Darstellung der inneren Befindlichkeit an Bedeutung für den Künstler. Der Kunsthistoriker Alfred Kuhn (1885-1940), 1923 von Corinth porträtiert, beschrieb das Spätwerk wie folgt: „Die Konturen verschwinden, die Körper sind oft wie auseinandergerissen, deformiert, verschwunden in der Fläche. Auch die Lebensechtheit von Porträts war fast vollkommen verschwunden, jegliche Detailtreue war verloren (...) Charakterisierungen sind übertrieben, tatsächlich oft bis zur Karikatur“ (Kuhn 1925).
Corinths Spätwerke näherten sich mit ihrer impulsiven Bildsprache deutlich dem Expressionismus an.
Signiert rechts unten in Bleistift: Lovis Corinth
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