Die malerische Wirkung des Blattes ist typisch für Mola und resultiert aus dem Wechselspiel von zwei Zeichenmitteln: Während die braune Feder teils sanft geschlängelte, teils krakelige und dick anschwellende Striche bildet, welche die Komposition eruieren und straffen, setzt der Pinsel kontrastreiche Schattenwerte hinzu, indem er die unterschiedlich stark verdünnte Tusche in leicht nuanciertem Kolorit einmal auf dem Papier zerlaufen, dann wieder Form annehmen läßt.
Mola beschäftigte sich über seine ganze Schaffenszeit hinweg mehrfach mit dem Thema der »Ruhe auf der Flucht« [...]. Allein im Berliner Kupferstichkabinett haben sich vier Zeichnungen dazu erhalten. Die hier vorgestellte Variante ist aufgrund der sicheren Auffassung und der hohen Abstraktion in die Spätzeit des Künstlers zu datieren. Ikonographisch kann man die Verbindung der Flucht nach Ägypten mit der Erscheinung Gottes, des Hl. Geistes und einer Schar von Engeln, die die Passionssymbole Kreuz und Geißelsäule tragen, als Beginn der Via crucis des Jesusknaben deuten. Vorbilder sind im Kreis von Poussin zu benennen, dem das Blatt auch stilistisch verwandt ist. Die deutlichste Verbindung besteht zu der um 1635/37 entstandenen Radierung »Traum des Hl. Joseph« von Pietro Testa [...]. Während Testa jedoch den Hauptakzent auf eine vielfigurige, statische Exegese mit dem Kreuz im Zentrum setzt, bettet Mola das Geschehen als Vision in die bewegte Landschaft ein.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 282, Kat. V.43
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