Wie Haltung und Gestik zeigen, war die Christusfigur einst Teil einer zweifigurigen Marienkrönung. Der Gottessohn thront auf einer durchgehend profilierten Bank mit glatter Rücklehne. Unter ihm befindet sich ein Sockel, dessen Profil (mit Kehlung zur mittleren Eintiefung) dem der Thronbank entspricht. Interessanterweise ist der dreiseitig vorkragende Sockel nur auf Christus bezogen, während sich die Bank ursprünglich nach links zu Maria hin fortgesetzt hat, die wahrscheinlich ebenfalls einen separaten Sockel besessen hat. Christus wendet sich lediglich andeutungsweise nach links, was nicht ausschließlich der geringen Tiefe des Reliefs zugeschrieben werden kann: Das Haupt ist – bei frontal ausgerichtetem Blick – nur geringfügig geneigt, die Knie weisen leicht nach links, der unbekleidete rechte Fuß ragt ein wenig mehr unter dem Gewand hervor. Die Rechte ist weit erhoben und vollzieht den segnenden Krönungsgestus, während die Linke vom Mantelstoff umhüllt auf dem linken Knie liegt und eine Weltkugel hält.
Gemeinsam mit einer links von ihr thronenden Maria dürfte sich die Christusfigur ursprünglich im Mittelschrein eines Altarretabels befunden haben. Allein innerhalb des relativ spärlichen Überlieferungsbestands des 14. Jahrhunderts gehört die Marienkrönung zu den häufigsten Darstellungen im Zentrum von Schnitzretabeln und konnte dort etwa von verschiedenen Szenen, Heiligen oder einer Apostelreihe flankiert werden.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Süddeutschland
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