Walter Leistikow, in dessen Atelier Lovis Corinth während seiner ersten Berliner Zeit arbeiten durfte, führte diesen auch in das literarische und künstlerische Berlin ein. So lernte er Gerhart Hauptmann, Peter Hille, Ludwig von Hofmann, Edvard Munch und den Landschafts- und Architekturmaler Fritz Rumpf kennen. Dessen neuerbautes Haus in Potsdam war selbst wieder gesellschaftlicher Treffpunkt und Ausgangspunkt neuer Beziehungen. Corinth verbrachte oft mehrere Tage im Haus dieses Freundes.
Unter den nicht wenigen Familien- und Gruppenbildern um 1900 gehört die klug arrangierte, so kunstvoll beleuchtete wie verschattete »Familie Rumpf« zu den aufregendsten. Dargestellt sind die Ehefrau und die sechs Kinder des Malers Fritz Rumpf (1856–1927) im Eßzimmer ihrer Villa. Den Hausherrn selbst malte Corinth im selben Jahr in einem Einzelporträt (C. Berend-Corinth, Lovis Corinth, Werkverzeichnis, München 1992, WVZ Nr. 218).
Eine Hauptwirkung des Bildes beruht auf dem Gegenlichteffekt. Corinth hatte ihn wenig zuvor an dem »Porträt des Ohm Friedrich Corinth« (ebd., WVZ Nr. 199) erprobt. Am Bild der »Familie Rumpf« malte er nur in den Vormittagsstunden, wenn das Licht durch das kunstvoll verglaste Fenster im Hintergrund fiel und den beiden ganz links sitzenden Kindern ein scherenschnittklares Profil verlieh, bei den frontal oder leicht schräg sitzenden Personen jedoch Teile des Gesichtes verschattete.
Die symmetrische Anordnung der Figuren wirkt bühnenhaft: Mutter und Kleinkind rechts, zwei größere Kinder links – wie gegeneinander ausgewogen; in der Mitte das monströse, rosa gewandete Mädchen, welches durch die zu seinen Füßen sitzenden Knaben zusätzliche Bedeutung im Bildganzen erhält. Keine der Figuren steht in Beziehung zu einer anderen, nur die Mutter und die beiden Jungen im Vordergrund schauen den Betrachter an. | Angelika Wesenberg
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