Liebermann vergleichbar vertrat Hans Herrmann in den 1880er Jahren die neuen Prinzipien des Naturalismus und fand dafür seine Themen in dem nahen Holland. Im selben Jahr wie Liebermanns große »Flachsscheuer« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 431) entstand die »Fleischhalle in Middelburg«; zwei sachliche Arbeits- und Alltagsbilder, in denen alle genrehaften und illustrativen Züge vermieden sind. Mehr noch als bei Liebermann tritt der Raum selbst als malerisches Motiv in Erscheinung: das graublaue Kreuzrippengewölbe und darunter das kräftige Gestänge der Markthalle in Eisenrot. Der weißblaue Farbklang wird in den Figuren der Verkäufer und Kundinnen wieder aufgenommen, das Rot in den prächtigen, großen Fleischstücken – ein Motiv, das bereits in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts kultiviert worden war. Hinzu tritt ein vermittelndes Gelbbeige. Sämtlichen Gegenständen verlieh Herrmann gleiche Bildwürdigkeit. Die Markthalle in Middelburg, Hauptstadt der niederländischen Provinz Zeeland, suchte Herrmann bei aller malerischen Delikatesse ohne sichtbare Anteilnahme wiederzugeben, so wie es die moderne Fotografie tat, derer Mittel er sich gern bediente. Im Abstand der Jahre jedoch ist der verborgene Stimmungsgehalt des Bildes deutlich geworden. | Angelika Wesenberg
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