Das undatierte Porträt der Bildhauerin Charlotte Glaeske (1885– nach 1956) stammt aus der Hand des Entwerfers und Dekorationsmalers Albert Maennchen, der sich um 1900 vor allem mit der Ausstattung repräsentativer Gebäude in Berlin sowie von Kunst-, Gewerbe- und Weltausstellungen einen Namen zu machen begann. Die zufällige Bekanntschaft mit Charlotte, die er vor den Türen der Berliner Akademie traf, schilderte er 1905 rückblickend in einem Brief an seine Mutter: »Auf meine Anrede und sehr langes Bitten sagte sie [Charlotte] mir schliesslich zu für einen Studienkopf zu sitzen – und so kam sie einige Tage später. Damals war sie 15 Jahre« (zit. nach: A. Meurer, Der Berliner Maler Albert Maennchen, Weimar 2006, S. 84). In strengem Profil und heller, toniger Palette hat Maennchen die junge Frau mit ihren noch kindlichen Gesichtszügen in diesem Studienkopf festgehalten. Auf einer historischen Aufnahme, die das im Jahr 1900 mit den jüngeren Brüdern gemietete Atelier in Berlin dokumentiert, ist das Bildnis Charlottes auf der Staffelei neben den von Albert Maennchen 1899 entworfenen und in der Tischlerei der Galerie Keller & Reiner hergestellten Möbeln zu sehen (vgl. ebd., S. 77, Abb. 50).
Charlotte, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, sollte Maennchen noch häufiger Modell stehen. Zwischen 1901 und 1907 war sie seine Schülerin, seit 1909 seine Ehefrau. Über ihre künstlerische Laufbahn ist wenig bekannt. 1905/06 studierte sie am Kunstgewerbemuseum Berlin. Albert Maennchen berichtete der Mutter im oben zitierten Brief, daß sie als Bildhauerin »z.T. ganz gut« verdiene (zit. nach: ebd., S. 85). Die Zeitschrift »Berliner Architekturwelt« zeigte 1909 zwei ihrer bildhauerischen Arbeiten: den Ausschnitt eines dekorativen Reliefs mit Putten, das ursprünglich das Portal eines Hauses in Reinickendorf, Scharnweberstr. 111, schmückte, sowie die Halbfigur eines Geigenspielers, der in der fließenden Formgebung Einflüsse des Jugendstil aufnimmt (Jg. 11, H. 8, S. 309, Abb. 356–357).
Das eigentlich so private Profilbildnis Charlottes muß Maennchen zuletzt, möglicherweise aus finanziellen Gründen, verkauft haben. 1919 schenkte es der Unternehmer Eugen Czaika, damals Inhaber der Berliner Maschinen-Treibriemen-Fabrik Adolph Schwarz & Co., der Nationalgalerie. | Regina Freyberger
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