1860 reiste Wilhelm Riefstahl erstmals ins Gebirge nach Appenzell, 1861 sodann über die Alpen nach Oberitalien und auf der Rückreise durch das Passeiertal, das er 1863 erneut durchwanderte. Die erhabene Landschaft der Alpen reizte den Schirmer-Schüler, mehr noch das Leben der Tiroler Bergbauern, insbesondere ihre religiösen Bräuche. »Das Volk liegt mir am Herzen«, erklärte er, »sein Wesen, seine Art sind mir gänzlich ungebrochen, es ist eng mit dem Lande verknüpft. Kämpfend gewinnt es ihm Leben ab […]. Die malerische Tracht, die Gesichter vom edelsten Schnitt … kurz, es gibt nichts Interessanteres für einen Maler als das Passeierländchen« (zit. nach: A. Wagner, Wilhelm Riefstahl, Ausst.-Kat., Neustrelitz 1975, S. 13–14). Mit einer Fülle von Studien war Riefstahl von der Reise zurückgekehrt. »Romantisch, aber mit vollem Realismus gesättigt« (zit. nach: ebd., S. 6), wollte er malen, und schuf 1863 das eindrückliche Bild »Kapelle bei Sankt Martin-Passeyer«, möglicherweise der Entwurf für eine später in größerem Format auszuführende Komposition. Vor nebelverhangenen Gipfeln zeigt es fünf Bauern, die still vor dem Eingang einer verwitterten Kapelle warten. Eine weitere Ansicht dieser vom Großvater des Freiheitskämpfers Andreas Hofer errichteten Kapelle, jedoch ohne jedes Bildpersonal, ist Teil der Sammlung der Pfalzgalerie Kaiserslautern (vgl. Die Gemäldesammlung von Hofrat Joseph Benzino, Kaiserslautern 2002, S. 156–157, Kat.-Nr. 70). | Regina Freyberger
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