Thielmann, zunächst Volksschullehrer, wurde nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Kassel und einer Zeit als Zeichenlehrer dort ab 1903 zu einem tragenden Mitglied der Willingshauser Künstlerkolonie. Wie seinem Künstlerkollegen Carl Bantzer (vgl. "Hessische Bauernhochzeit", 1903/1904, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A III 312) galt Thielmanns Interesse nicht nur der Landschaft der Schwalm sondern in besonderem Maße auch deren Bewohnern, ihren Festen, Gebräuchen und Trachten. Hochzeit, Taufe und Beerdigung waren daher beliebte Sujets. Im Mittelpunkt unseres Bildes befindet sich die Witwe mit dem "Trauermantel" und einem langen weißen Handschuh. Thielmann hat diese Figur 1908 mit Zeichnungen und zwei Radierungen "Die Totenfrau" vorbereitet. Umgeben ist die Witwe von einem Paar der nächsten Generation, der Mann mit breitkrempigem Hut, und einem Enkelkind, das die einzigen Farbflecke in das Bild bringt. Die Figuren der drei Erwachsenen stehen groß und dunkel, mit klaren Umrissen, vor einem dunkelvioletten Hintergrund. Die Betonung der Darstellung liegt bei Gesichtern und Händen. Carl Bantzer hatte im Februar 1910 an Thielmann geschrieben: "Das klappt ja sehr gut, daß Ihr Euer Trauerbild für die Darmstädter Ausstellung fertigbekommt. Schade, daß ich es nicht sehen kann. Ich bin ja sehr neugierig, wie die Ausstellung beschickt werden wird" (Carl Bantzer, ein Leben in Briefen, Willingshausen 1998, S. 169). Bantzer hätte in Darmstadt erleben können, daß die Motive seines Werkes von jüngeren Künstlern jetzt linearer und monochromer, mit einem anderen künstlerischen Anspruch, erfaßt werden. | Angelika Wesenberg
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